Die Haarteppichknüpfer - Roman
Grenzlinie unaufhaltsam weiter. Nur etwas weniger als ein Viertel der Planetenoberfläche wird noch von den Ureinwohnern bewohnt, und dabei handelt es sich größtenteils um die unwirtlichen Polregionen.«
»Ihr habt diesem grausamen Krieg hoffentlich ein Ende gesetzt?«, ließ sich einer der Räte donnernd vernehmen.
»Selbstverständlich«, erwiderte der General. »Wir konnten einen gerade gestarteten Angriff aufhalten.«
Eine Rätin hob die Hand. »General, Ihr spracht davon, dass die Ureinwohner im Lauf der Zeit auf einem Viertel der planetaren Oberfläche zusammengedrängt wurden. Was ist mit den restlichen drei Vierteln?«
Karswant nickte. »Die von den Truppen sozusagen freigeräumte Fläche umfasst ungefähr zwei Drittel der festen Landmasse des Planeten, und …«
Er hielt wieder inne und sah sich langsam im Saal um, und er wirkte dabei, als suche er von irgendwoher Hilfe. Als er schließlich weitersprach, hatte seine Stimme die übliche militärische Härte verloren; es war, als spräche nun der Mensch Jerom Karswant.
»Ich gestehe, dass ich mich vor diesem Augenblick gefürchtet habe. Wie um alles in der Welt soll ich beschreiben, was wir gesehen haben? Wie soll ich es so beschreiben, dass Sie mir glauben? Ich habe nicht einmal meinen besten Kommandanten geglaubt, Männern, denen ich bedenkenlos mein Leben anvertrauen würde, sondern musste selber landen, um nachzusehen. Und das, was meine eigenen Augen mir zeigten, wollte ich auch nicht glauben …«
Er machte eine vage Geste mit der Hand. »Während der ganzen Reise zurück von Gheera sind wir zusammengesessen und haben alle Einzelheiten wieder und wieder durchgekaut, aber wir sind zu keinem Schluss gekommen. Falls das Ganze irgendeinen Sinn ergeben sollte, bitte ich darum, dass ich eingeweiht werde. Das ist so ziemlich das Einzige, was ich mir noch wünsche im Leben – eine Erklärung, einen Grund für den Planeten Gheerh.« Damit schaltete er den Projektor wieder ein, und der vorbereitete Film begann zu laufen.
»Jeder Fußbreit Boden, den die kaiserlichen Truppen durch Ermordung oder Vertreibung der Ureinwohner gewannen, wurde von technischem Personal, das ebenfalls an die fünfhunderttausend Mann zählte, umgehend eingeebnet und dauerhaft befestigt, und wenn die kämpfenden Truppen weitergezogen waren, wurde die so geschaffene Fläche mit Haarteppichen bedeckt. Auf diese Weise haben die Mannschaften des Kaisers im Lauf der Jahrtausende zwei Drittel der gesamten Planetenoberfläche mit Haarteppichen ausgelegt.«
In die verblüffte Stille hinein räusperte sich einer der Räte und fragte: »Wollt Ihr damit andeuten, General, dass all die Haarteppiche hergestellt wurden, um einen Planeten damit zu überziehen?«
»Das ist das Bild, das sich bietet, wenn man Gheerh überfliegt. Wohin man auch kommt, überall liegt Haarteppich an Haarteppich, und kein Fleck des ursprünglichen Untergrundes ist zu sehen. Weite Ebenen, tiefe Täler, hohe Berge, Strände, Hügel, Abhänge – alles, alles ist von Haarteppichen bedeckt.«
Die Anwesenden verfolgten fasziniert die projizierten Bilder, die die Aussage des Generals bestätigten.
»Das ist doch verrückt«, meinte jemand schließlich. »Welchen Sinn soll so etwas haben?«
Karswant zuckte hilflos die Schultern. »Wir wissen es nicht. Und wir können uns auch keinen Sinn vorstellen.«
Unter den Teilnehmern der Sitzung brach eine erregte Diskussion aus, die der Vorsitzende des Provisorischen Rates mit einer gebieterischen Handbewegung unterband. »Ihr habt Recht, General Karswant, es fällt mir tatsächlich schwer, das zu glauben«, erklärte er. »Ganz bestimmt ist es die unglaublichste Sache, von der ich je gehört habe.« Er hielt einen Moment inne. Man merkte ihm an, dass er gerade Mühe hatte, den Faden dessen zu behalten, was er sagen wollte. »Wir können auch unmöglich alle nach Gheera fliegen, obwohl es mich, offen gestanden, danach verlangt. Wir werden einfach versuchen, Ihnen zu glauben, General.«
Er wirkte regelrecht benommen, wie er unvermittelt wieder schwieg und ziellos umherblickte. Jeder im Saal wirkte benommen.
»Welche Erklärung es auch immer für all das geben mag«, fuhr er dann fort, erkennbar bemüht, die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen, »wir werden sie sicher nur in der Geschichte finden. Ich bin froh, dass heute unsere bezaubernde Lamita Terget Utmanasalen anwesend ist, eine der besten Historikerinnen, die wir haben. Sie verwaltet das kaiserliche Archiv, und
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