Die Haarteppichknüpfer - Roman
letzte Kaiser, besuchte Gheera nur einmal kurz. Aus einigen Notizen mag man schließen, dass er angewidert war, aber er brachte es nicht fertig, dem Ganzen ein Ende zu bereiten – wahrscheinlich aus Treue zu den früheren Kaisern. Nach seiner Rückkehr ließ er die Provinz von allen Sternkarten und aus allen Datenspeichern tilgen und überließ sie sich selbst. Und seither lief die Maschinerie, Jahrtausend auf Jahrtausend.«
Schweigen senkte sich herab auf das ungleiche Paar.
»Das ist also die Geschichte der Haarteppiche«, flüsterte Lamita erschüttert.
Emparak nickte. Dann verschloss er den Schrank wieder.
Lamita sah sich um, immer noch wie betäubt von dem, was sie gehört hatte, und ihr Blick wanderte die Gänge und Quergänge entlang, über unzählige andere Schränke, die aussahen wie dieser, immer weiter und weiter, und es war kein Ende zu sehen.
»All diese anderen Schränke«, fragte sie leise, »was enthalten sie?«
Der Archivar sah sie an, und in seinen Augen schimmerte Unendlichkeit. »Andere Geschichten«, sagte er.
EPILOG
Knoten um Knoten, immer die gleichen Handbewegungen, immer die gleichen Knoten in das feine Haar schlingend, unendlich fein und winzig, mit krampfigen Händen und rotgeränderten Augen – und er kam kaum voran, wie sehr er sich auch abmühte und beeilte. Jede wache Stunde hockte er an dem Knüpfrahmen, an dem schon sein Vater gesessen hatte und vor ihm dessen Vater und Großvater, gebeugt und angespannt, die alte, halbblinde Vergrößerungslinse vor den Augen, die Arme auf das Brustbrett gestützt und nur mit den bebenden Fingerspitzen die Knotennadel führend. Knoten um Knoten knüpfte er in fiebriger Eile, wie ein Gehetzter, der um sein Leben kämpft; sein Rücken schmerzte bis hoch zum Nacken, und hinter seiner Stirn pochte ein quälender Kopfschmerz, der ihm auf die Augen drückte, sodass er manchmal die Knüpfnadel nicht mehr erkennen konnte. Er versuchte, nicht auf die neuartigen Geräusche zu hören, die das Haus erfüllten – die lauten, aufsässigen Diskussionen seiner Frauen und Töchter unten in der Küche, und vor allem die Stimme, die aus dem Gerät drang, das sie dort aufgestellt hatten, und die in einem fort gotteslästerliche Reden führte.
Schwerfällige Schritte knarzten die Treppe zum Knüpfzimmer empor. Sie konnten ihn nicht in Ruhe lassen. Anstatt ihren naturgegebenen Pflichten nachzukommen, saßen sie den ganzen Tag herum und plapperten diese dummen Sprüche von einer neuen Zeit nach, und ständig kam Besuch und mischte sich ein in das pausenlose Gefasel. Er schnaubte und zog den Knoten fest, an dem er gerade war. Ohne die Vergrößerungslinse abzusetzen, griff er nach dem nächsten der Haare, die er neben sich auf einem Stoffkissen bereitgelegt hatte, säuberlich gekämmt und einzeln auf die richtige Länge gebracht.
»Ostvan …«
Es war Garliad. Er presste die Kiefer aufeinander, bis seine Zähne schmerzten, aber er drehte sich nicht um.
»Ostvan, mein Sohn …«
Wütend riss er sich das Halteband der alten Lupe von der Stirn und fuhr herum. »Könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen?«, schrie er mit zornrotem Gesicht. »Könnt ihr mich nicht endlich in Ruhe lassen? Wie lange soll das noch so gehen, dass ihr eure Pflichten vernachlässigt und mich dauernd in meiner Arbeit unterbrecht?«
Garliad stand da mit ihrem langen, schlohweißen Haar und sah ihn nur an. Dieser fürsorgliche, mitleidige Blick aus ihren klaren Augen machte ihn rasend. »Was willst du?«, giftete er.
»Ostvan«, sagte sie sanft, »willst du nicht endlich aufhören?«
»Komm mir nicht wieder damit!«, schrie er und drehte sich von ihr weg, nestelte die Vergrößerungslinse halbwegs zurück in ihre korrekte Position. Seine Finger griffen nach der Knotennadel und dem nächsten Haar.
»Ostvan, es hat keinen Sinn, was du da machst …«
»Ich bin ein Haarteppichknüpfer, wie mein Vater ein Haarteppichknüpfer war und vor ihm dessen Vater und so fort. Was soll ich anderes machen, als Haarteppiche zu knüpfen?«
»Aber niemand wird deinen Haarteppich mehr kaufen. Es gibt keine Haarteppichhändler mehr. Die kaiserlichen Schiffer kommen nicht mehr. Es ist jetzt alles anders.«
»Lüge. Alles Lüge.«
»Ostvan …«
Dieser mütterliche Ton in ihrer Stimme! Warum konnte sie nicht gehen? Warum konnte sie nicht einfach wieder hinunter in die Küche gehen und ihn einfach in Ruhe lassen, ihn in Ruhe tun lassen, was er zu tun hatte? Dies hier war seine Pflicht, sein Gottesdienst, der
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