Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Frauen, liefen mitten auf der Fahrbahn, untergehakt und lachend. Nichts, wie es war, dachte Andras bitter, und dann war ihm so bang zumute, daß er am liebsten hinausgelaufen wäre, auf die Straße und weiter, in den Monbijoupark, die Spree entlang, immer weiter, bis er die Stadt hinter sich gelassen hätte.
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Gegen sechs Uhr zog sich der Himmel zu, wie eine Wand näherten sich von Westen Wetter und Dämmerung der Stadt, lautlos zunächst, der Wind stockte, als lauschte er auf etwas, bis plötzlich der Regen einsetzte, ein Wolkenbruch, der alles übertönte. Andras stand am Fenster, der Regen lag wie eine schwere Persenning über den Dächern, darunter flimmerten die Lichter schwach, der Fernsehturm kämpfte sich mühsam aus der Schwärze, die Videotafeln auf der gegenüberliegenden Seite des Alexanderplatzes warfen blasse Schatten. Vor drei Jahren hatte er ebenso am Fenster gestanden und den Entschluß gefaßt, daß es wirklich Zeit war zu gehen. Er hatte hinausgeschaut und überlegt, daß ein kleiner Transporter ausreichen würde, um die Bücher, einen Teil der Regale, die kleine, schwere Kommode und das rote Sofa nach Budapest zu schaffen. In einen der Keller dort, dachte er, die seine Eltern nach und nach besetzt hatten, Lattenverschläge, deren Türen schief in den Angeln hingen, von einem Vorhängeschloß gehalten, dahinter leere Kisten, für Kohle, für Kartoffeln, für Brennholz, Späne, und Kartons voller Schrauben, Nägel, Schnüre, all das, was Jahrzehnte in den Schubläden und Kästen der engen Wohnung aufbewahrt gewesen war, weil man nie wußte, wozu es gut sein würde. Und er selbst, hier, in Berlin, hatte jede Büroklammer, jedes Gummiband, jede Kordel aufgehoben, gefütterte Briefumschläge, leere Blechdosen, Gläser, er hatte sie alle paar Monate zusammengesammelt und nachts zu den Müllcontainern getragen, unbeobachtet, wie er glaubte; die nächsten Tage vermied er den Hof und sogar die anderen Mieter im Treppenhaus, bis die Müllabfuhr dagewesen war. Inzwischen atmete er nach solchen Aktionen längst nicht mehr auf, weil sie nicht vorhielten, nach einer Woche schon hatte sich wieder dies oder jenes angesammelt, ein Pappschächtelchen, eine Schnur ohne Knoten, nützliche Dinge, zweifellos, und es war besser, die guten Vorsätze aufzugeben, dafür zweimal im Jahr auszumisten.
Die Autos kämpften sich die Choriner Straße hinauf, die Scheinwerfer flackerten, noch hing das Laub an den Bäumen, verdeckte die Straßenlampen, funzeliges Licht, und gegenüber Fassaden, wie sie Zweiter Weltkrieg und Sozialismus hinterlassen hatten, während ein paar Häuser weiter Farben aufdringlich die Vorhut für Feinkostläden und Cafe´s bildeten. –Laß dich bloß nicht von diesen Frührentnern anstecken, hatte sein Schwager La´szlo´ ihm gesagt, life style , Handy, dabei steckt hinter den Markennamen nichts als Lahmarschigkeit. In Deutschland kannst du den Leuten die Nase einschlagen, und sie glauben, das sei hip. In Budapest schicken sie dir drei Jungs mit Messern auf den Hals, wenn du ihnen dumm kommst.
Andras klopfte gegen die Fensterscheibe, als wollte er dort draußen jemanden auf sich aufmerksam machen oder zum Schweigen bringen. Wind riß jetzt Stücke aus dem Regen, lange, graue Tücher, Andras lauschte zur Wohnungstür, aber Isabelle würde klingeln. Wenn sie kam. Sieben Uhr.
In der rückwärtigen Wand pochte es, all die Jahre hatte Andras sich gefragt, was da pochte, wo ein Haus ans nächste stieß, ein sachtes Geräusch, von den Windstößen jetzt fast übertönt. Dort stand das rote, abgesessene Sofa seines Onkels Janos, das Tante Sofi Andras überlassen hatte, so, als streckte sie ihm mürrisch eine weitere Tragetasche voll alter Damasttischtücher und Vorleglöffel hin, sie hatte die Lehne gepackt und getan, als schöbe sie es ein paar Zentimeter Richtung Tür, wenn du willst, dann nimm es mit, sofort, warten werde ich nicht darauf, und dann hatte sie die Transaktion – ein Auto mußte gemietet werden, ein Freund mußte tragen helfen – doch zum Anlaß genommen, ihre Abreise nach Budapest zu verzögern, in der schon ausgeräumten Wohnung Tag für Tag zu lamentieren, wann Andras endlich das Sofa abhole, was Onkel Janos sagen würde, warum die Glühbirnen kaputtgingen, ob Andras nicht das Vorlegbesteck und die Messerbänkchen und die Tischdecke doch dabehalten wolle, und obwohl es noch spätsommerlich warm gewesen war, hatte sie in einem Pelzkragen auf ebenjenem Sofa gesessen und alte
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