Die Händlerin von Babylon
herunter. Es war einfach unglaublich.
Er war blond. Der Hohepriester dieses Volkes. Der Priester der Fruchtbarkeit!
Er begutachtete Ningals Haus und trat danach auf den Baum zu.
»Cheftu?«, krächzte sie. War das ein Traum oder Wirklichkeit?
Er hielt inne und blickte angestrengt in ihre Richtung, obwohl er sie unmöglich sehen konnte. Das Licht schien ihm ins Gesicht. Es war Cheftu. Ihr schwarzhaariger, dunkelhäutiger ägyptischer Ehemann hatte sich in einen nordischen Recken mit der Statur eines Footballspielers verwandelt. »Bist das wirklich du?«, flüsterte sie.
Die Tür zum Hof ging auf, und Chloe erstarrte. Cheftu machte auf dem Absatz kehrt und sah sich Ningal gegenüber.
»Herr«, begrüßte ihn der Richter. »Ich meinte Stimmen zu hören.« Er spähte ins Dunkel. »Hast du einen Schreiber bei dir?«
»Ich ... habe ihn eben vorausgeschickt«, antwortete Cheftu.
»Es ist immer gut, wenn die Arbeit auf einen wartet«, pflichtete Ningal ihm bei. »Ich genieße gerade bei einem Glas Dattelwein die Abendkühle. Ich würde mich ausgesprochen geehrt fühlen, wenn du mir dabei Gesellschaft leisten würdest. Mein Hausgast ist bereits zu Bett gegangen.«
Damit meint er mich, begriff Chloe. Und er ist einsam. Warum habe ich das nicht gemerkt?
»Äh, danke, Herr«, antwortete Cheftu - Cheftu? Als Blonder? Als massiger, muskelbepackter Blondschopf? »Aber ich bin gerade auf dem Rückweg zum Tempel.«
Ningal trat auf die Straße und zog die Tür hinter sich zu. »Du solltest nicht allein gehen.«
»Wahrhaftig, Herr«, wehrte Cheftu ab, »ich möchte dich keinesfalls von deinem Wein und deinem friedlichen Abend wegreißen.«
Lächelnd schlug Ningal den En auf die Schulter. »Nach einem angenehmen Spaziergang schmeckt der Wein umso süßer.« Ningal blieb stehen und wurde plötzlich durch und durch förmlich. »Natürlich möchte ich mich keinesfalls aufdrängen.«
Cheftu gab sich geschlagen. »Ich würde mich über etwas Gesellschaft freuen«, antwortete er, und die beiden Männer schlenderten los.
Allmählich artete dies zu einer echten Farce aus - allerdings keiner besonders komischen. Chloe wartete, bis die beiden Männer hinter der Straßenecke verschwunden war, dann huschte sie durch die Tür, flitzte über den Hof und sauste hoch in ihre Kammer. Sie war schweißnass und zitterte. Noch schwach nach ihrer Bettlägerigkeit.
Schwach vor Sehnsucht nach ihrem Mann; schwach vor Ärger darüber, dass sie es nicht in seine Nähe geschafft hatte.
Einfach schwachsinnig, dachte sie und sank ins Bett, um erneut von ihm zu träumen.
Der En würdigte Ezzi keines Blickes, als er die beiden im Gang eingeholt hatte. »Wie lang?«, fragte er Asa. Kidus Gesicht war eine kalte Maske, und seine Stimme klang so gefühllos, dass einem das Blut in den Adern gefror. »Und ich will keine Vermutungen hören, sondern nur wissen, wie viele Tage es noch hin sind bis zu diesem Schauspiel.«
»Die Sterne sagen -«
Der En wirbelte zu ihm herum, größer und breiter, um dann Asa ins Gesicht zu sehen. »Du liest in den Sternen. Darum wirst du sie mir auch deuten. Ich bereite den Tempel vor. Wie viele Tage also?«
»Sieben Tage«, antwortete Asa. »Vielleicht ein paar Doppelstunden mehr oder weniger.«
Der En musterte beide ab. »Danke. Ihr seid entlassen.«
Asa und Ezzi blieben verdattert stehen. Der En hielt vor seiner Tür an, wo der Wächter eiligst Habachtstellung annahm. »Der Lugal und die Ensi ... vereinigen sich eben, Herr.«
Der En fixierte den Mann mit einem Blick, der so kalt war wie der Schnee im Zagros-Gebirge, und trat dann in seine Gemächer. Als er die Tür hinter sich zuknallte, zuckten alle im Gang zusammen.
Ezzi wusste nicht, was er sagen sollte. Der En hatte ganz eindeutig keine Manieren. Und ihm blieben noch sieben Tage, um das Opfer zu inszenieren. Ezzi hoffte nur, dass seine Mutter bald zur Tat schritt, bevor Puabi Ulu zu sich holte und sein falsches Spiel aufflog.
Nicht dass das von Bedeutung gewesen wäre; schließlich handelte er nur zum Wohle des Gemeinwesens.
Indem er tat, was die Götter ihm befahlen.
Cheftu schlief; endlich. Bis zum frühen Morgen hatte er mit Ningal gesprochen und manches über Chloe in Erfahrung gebracht, obwohl Ningal ihren Namen kein einziges Mal ausgesprochen hatte. Es war ein eigenwilliges Schauspiel, zu verfolgen, wie sich ein anderer Mann in die eigene Ehefrau verliebte. Cheftu konnte dem Mann keinen Vorwurf machen, dennoch verspürte er von Zeit zu Zeit den
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