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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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unwiderstehlichen Drang, Ningal von einem hohen Dach zu schubsen.
    Ob das eine von Kidus Launen war? Nein, musste Cheftu sich eingestehen, dieser Impuls rührte aus ihm selbst.
    Ningal lebte mit Chloe zusammen. Cheftu wagte nicht, ihr zu schreiben oder ihr eine Nachricht zukommen zu lassen. Es gab keine Möglichkeit, sie wissen zu lassen, dass er immerzu an sie dachte. Nach sieben Jahren musste sie einfach darauf vertrauen.
    Leider, leider war sie nicht in seinem Bett. Die Wunschvorstellung, an ihrer Seite aufzuwachen, hatte ihn schließlich Schlaf finden lassen. Und jetzt hörte er an der äußersten Grenze seines Bewusstseins ein leises Seufzen.
    In seinem Zimmer.
    Chloe, seine alle Hindernisse überwindende Frau, hatte zu ihm gefunden. Er lächelte im Schlaf. Die Hände auf seiner Haut fühlten sich stark und selbstsicher an. Und extrem geschickt. Cheftu schwebte auf den Wogen eines unglaublichen Wohlgefühls, während diese Frau sich seines Leibes annahm.
    »Alles, was du wünschst, En Kidu«, flüsterte sie. »Du bist der Hüter des Lebens und des Todes. Noch mit dem letzten Hauch meines Leibes möchte ich dir Vergnügen bereiten, auf jede Weise, die du dir nur wünschst.«
    Nicht Chloe.
    Diese Stimme hatte er noch nie gehört, noch nicht einmal der Akzent war ihm vertraut. Und sie roch kein bisschen nach den schweren Parfüms und Weihrauchschwaden jener Frauen, die ihm in den Gängen und Hallen des Tempels nachstellten.
    Sie war nicht Chloe, auch wenn seinem Körper und Geist das längst nicht so wichtig war wie seiner Integrität und seiner Seele. Mit äußerster Willenskraft gelang es ihm, sich aufzusetzen und von ihr wegzurücken. »Rühr mich nicht an«, befahl er, obwohl er selbst hören konnte, dass seiner Stimme jeder Enthusiasmus, jede Überzeugungskraft fehlte. »Was willst du?«
    »Nimm mich an Puabis Stelle«, hauchte sie. »Ich möchte als Ensi sterben.«
    Cheftu blinzelte und zwang seinen Körper zur Wachsamkeit. »Wovon sprichst du?« Er konnte sie in der Dunkelheit kaum ausmachen, doch er spürte ihre Anwesenheit. Unter ihrer selbstsicheren Sexualität lag nackte Angst.
    »Puabi wird nicht sterben, das weiß ich. Ich weiß auch, dass ihr eine Frau braucht, die an ihre Stelle treten wird, zu treten wünscht. Ich bin gekommen, um mich selbst anzubieten.« Sie ließ sich in einer gleitenden Bewegung aufs Bett sinken und schmiegte sich geschmeidig an ihn. »Was immer du dir wünschst, En, kannst du von mir bekommen. Lass mich nur ihren Platz einnehmen. Bitte.«
    Dies war schon die zweite Freiwillige für eine bemerkenswert unangenehme Aufgabe. »Hat dich jemand geschickt?«
    »Nein.«
    Ihr Atem flog über die Härchen auf seiner Brust, während dicht neben ihm im Bett die Hitze von ihrem Körper ausstrahlte. Cheftu brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit. »Ich werde mich mit den Sterndeutern beraten«, erklärte er hastig. »Dann werde ich dir das Ergebnis mitteilen. Wie heißt du?«
    »Ulu«, antwortete die Frau, wobei sie über das Bett in seine Nähe glitt. »Ich werde hier bleiben und gemeinsam mit dir die Morgendämmerung erwarten.«
    »Ulu?«, wiederholte Cheftu überrascht. »Dein Opfer wurde bereits angenommen.«
    »Was?« Jede Erotik war aus ihrer Stimme verschwunden.
    »Puabi hat bereits beschlossen, dich an ihrer Stelle zu opfern. Ezzi hat, wenn ich mich recht entsinne, deinen Namen vorgeschlagen.«
    Einen Moment hörte er überhaupt nichts mehr von ihr - nicht einmal ihren Atem. Ihr Körper schien zu erkalten.
    »Ulu?«
    »Was willst du?«, fragte sie. Ihre Stimme klang um hundert Jahre gealtert. Resigniert. Der Tonfall einer Sklavin, der jeder Widerspruchsgeist ausgepeitscht worden war.
    »Nichts. Geh heim. Bestimmt wird der Sterndeuter bald nach dir schicken.«
    »Ich habe kein Heim mehr«, flüsterte sie und entschwand.
    Ningal kam erst spät nach Hause, befriedigt nach einem Besuch im Tempel, nachdem er den En allein zurückgelassen hatte. Seine alten Knochen fühlten sich verjüngt, sein Fleisch entspannt. Nun würde er sein Problem vernünftig überdenken können, ohne von jugendlichem Feuer getrieben zu werden. Sein Problem hieß Chloe.
    Jahre waren vergangen, seit der Atem seiner Frau versiegt und nicht wiedergekehrt war. Ihr Ungestüm und ihr Tatendrang fehlten ihm zwar, doch hatte er sich inzwischen an Ruhe und Frieden gewöhnt. Die Sklaven waren gesittet und fleißig, und dank seiner Stippvisiten im Gericht war er stets über die Geschehnisse im Gemeinwesen auf dem

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