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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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rechts. Durchs Fenster wehte der Geruch von Dung herein, aber zumindest war es jetzt, in der Morgendämmerung, kühler. Wer war bloß auf die idiotische Idee gekommen, Löcher in die Wände zu schneiden, überlegte er. Begriff denn niemand, wie ungemütlich sie diesen Raum machten? Schritte hatten durch die Straßen gehallt, von durch die Nacht eilenden Männern und Frauen. Augenscheinlich hatten die Götter die Gaben angenommen - sie waren auch nicht besser als Viza -, denn die Erde war nicht ausgelöscht worden.
    Er starrte hinaus ins Grau. So musste das Leben nach dem Tod sein. Grau und staubig und nur nach Scheiße stinkend. Mit angezogenen Beinen und schlaff herabhängenden Armen ließ er sich auf dem Boden nieder.
    »Guli, bist du das?«, fragte eine Stimme am Fenster.
    »Richter?«
    »Hör zu. Hast du dein Urteil angenommen?«
    Guli starrte auf seine Hände.
    »Hat es sich gelohnt, deine Freiheit und dein Leben zu verlieren, nur um in den Genuss zu kommen, Viza zu töten?«
    »Dieser Skorpion hatte den Tod verdient.«
    »Diese Entscheidung stand dir nicht zu.«
    Guli erwiderte nichts darauf. Ob der Richter nun Recht hatte oder nicht, das System hatte ihn auf jeden Fall verurteilt. »Hast du deine Nachtruhe aufgegeben, nur um mir ins Gewissen zu reden?«, fragte er.
    »Nein. Ich möchte dir ein Angebot machen. Ich komme jetzt rein.«
    Guli hörte, wie die hölzerne Tür aufging und dann das Lehmsiegel auf seiner Tür platzte. Offenbar hatte Ningal die Scherben aufgefangen, denn sie schlugen nicht auf dem Boden auf. Der Riegel wurde angehoben und Ningal trat ein. Guli sah zu ihm auf.
    »Deine Kleider sind immer noch fleckig«, sagte Ningal.
    »Ich hatte keine Gelegenheit, mich noch umzuziehen, bevor ich eingesperrt wurde«, antwortete Guli. »Ich sinne gerade über meine Zukunft als Toter nach. Was willst du von mir? Was für ein Angebot soll das sein?« »Als Held zu sterben.«
    »Ich bin nicht so blöd wie Ulu.« Wenn er an ihren Leib dachte, dem von kalten, gleichgültigen Göttern jedes Leben ausgepresst worden war, war ihm zum Heulen zumute. Trotzdem schätzte er sich glücklich, sie noch ein letztes Mal berührt zu haben. Für eine sehr kurze Zeit war er ihr ehrenwerter Ehemann und sie seine ehrvolle Gemahlin gewesen. Dieses Gefühl erleichterte ihm den Tod.
    »Du wirst ohnehin vergehen«, sagte Ningal.
    »Und was habe ich davon?«
    Ningal wandte den Blick ab. »Heute Nacht und fast den ganzen morgigen Tag kannst du jede Frau haben, die du begehrst, du kannst bis zur Erfüllung feiern und anschließend lächelnd in den Tod gehen.«
    »In den Tod gehe ich sowieso. Ein paar Frauen und etwas Anständiges zum Essen erscheint mir nicht so erstrebenswert.«
    »Außerdem bekommst du sechs Doppelstunden geschenkt. Und Gift statt den Strick. Ein Begräbnis in Gold und Würden statt als Krimineller in einer Dunggrube.«

Guli streckte die Beine aus. »Ich sterbe in der Abenddämmerung statt am Morgen?«
    »Ja.«
    »Werde ich an deiner Stelle sterben? Deinen Ehrennamen annehmen?«
    Ningal stellte sich seinem Blick. »Nicht an meiner Stelle, aber der Name ist nicht weniger ehrenvoll.«
    »Für wen dann?«
    »Kalam.«
    Guli schnaubte. »Der ist ein Skorpion und nicht besser als Viza. Eigentlich müsstest du ihn verabscheuen. Hat er nicht deine kleine Ziegenhirtin an Asas ehemalige Schüler verraten? Und jetzt ist sie fort, nicht wahr?«
    Tränen schimmerten in den Augen des Alten; Guli hätte ihn gern noch weiter beleidigt, doch das brachte er nicht fertig.
    Ningal richtete sich auf. »Kalam war mir schon ein Herzenssohn, lange bevor ...« Dem Richter versagte die Stimme. »Manchmal bedeutet Menschlichkeit, den eigenen Maßstäben treu zu bleiben, selbst wenn sie für alle anderen jede Bedeutung verloren haben.«
    Er sah Guli an, der irgendwie ahnte, dass der Richter ihn verstand. Und dass er mit ihm fühlte. »Ich nehme dein Angebot an.«
    Ningal streckte ihm die Hand hin. »Dann komm, vor dir liegen Doppelstunden des Vergnügens. Was möchtest du noch unternehmen?«
    »Woher willst du wissen, dass ich nicht fortlaufe?«, fragte Guli im Aufstehen. Er war größer als Ningal und in besserer Verfassung. Er konnte dem Richter den dünnen Hals brechen, um dann durch die Tür zu verschwinden und noch vor dem Mittag in den Marschen unterzutauchen. Nur dass es in den Marschen keine Friseure und auch keinen Bedarf dafür gab.
    »Du bist ein Ehrenmann«, sagte Ningal.
    Guli trat durch die Tür. »Vor allem möchte ich ein Bad

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