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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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wissen sie Bescheid«, sagte Cheftu.
    Nimrod nickte nachdenklich.
    Cheftu blickte zu Boden. »Wissen wir, wer sie sind?«
    »Ich bekomme kaum ein Wort aus ihnen heraus.«
    Cheftu bemerkte das blau geschlagene Auge des einen und die blutige Nase des anderen. Der eine starrte sie mit großen Augen an, wie versteinert vor Angst. Die Miene des anderen wirkte heimtückisch und verächtlich. »Ich will ihre Hände sehen.«
    Nimrod drehte sich auf dem Absatz um und gab seinen Wachen ein Zeichen, die Gefangenen loszubinden. Der Ängstliche begann zu wimmern, der andere wurde ernster.
    Cheftu drehte bei beiden erst die eine, dann die andere Hand in seinem Griff, prüfte dabei die Oberhaut, die Hornhäute, die Handflächen und Ballen. »Bindet sie wieder fest«, befahl er daraufhin. Auf Nimrods Geste hin fesselten die Wachen die Gefangenen erneut am Gebälk. Cheftu trat in die Tür und starrte ins Freie. Der Himmel war von einem herzlosen Blau, schwarz lagen die Schatten der Palmen auf dem Boden. Seine zahllosen perlenbesetzten Zöpfe waren schweißdurchtränkt. Gedankenverloren fuhr er mit den Fingern die Inschriften auf den Siegeln um seine Taille nach.
    »Was soll mit ihnen geschehen?«
    Cheftu drehte sich um und spähte angestrengt in Nimrods Gesicht, seine Augen. Dann blickte er auf die Männer, die ihn entsetzt und auf Zehenspitzen stehend beobachteten. Es stand Cheftu nicht zu, eine solche Entscheidung zu fällen, doch diese Männer hatten nach allen Gesetzen den Tod verdient. Ob in Frankreich, Ägypten, Aztlan oder Jerusalem - Grabräuber konnten nirgendwo Gnade erwarten.
    Leise sagte er: »Wenn du Chloe holen gehst, bringst du die Beute zurück.«
    »Und die Männer?«
    Cheftu atmete tief durch, ehe er antwortete: »Die bringt ihr in die Marschen«, beschloss er. »Aber zuvor schneidet ihr ihnen die Zunge heraus.«
    Nimrod drehte sich um und gab seinen Männern ein Zeichen. Cheftu wurde schlecht bei dem Anblick; er war ein Heiler, kein Despot, aber er hatte keine andere Wahl. Dennoch - wenn Nimrod schon Cheftus Entscheidung ausführen musste, dann würde Cheftu nicht den Blick abwenden.
    Die Schreie der beiden gellten in Cheftus Ohren; keiner erwies sich als besonders tapfer, und wenig später wurden sie von Nimrods fähigen Gebirgssoldaten zu reglosen Bündeln verschnürt. Nimrod begleitete Cheftu zurück zur Grube. »Warum wolltest du ihre Hände sehen?«, fragte er.
    Cheftu spürte die glühende Sonne auf seinem Rücken und seinen Schultern, die vom Himmel prügelte und ihre Kraft in dem goldenen Diadem auf seinem Kopf bündelte. Die Priester erwarteten ihn, auf dem Boden hockend.
    »Wenn sie schreiben könnten, hätten sie eine Hornhaut. Wenn sie schreiben könnten, hätten sie sterben müssen.« Mit ihren Zungen hatten sie demzufolge die einzige Möglichkeit zur Verständigung verloren.
    »Du bist wirklich gnädig«, stellte Nimrod fest. »Wenn ich Lugal wäre, würde ich dich zum Richter ernennen.«
    »Dessen wäre ich nicht würdig«, sagte Cheftu und gesellte sich dann zu seinen Priestern, um weitere Opfer zu erbringen.
    Im Zwielicht begannen sie sich zu versammeln: die führenden Familien von Ur, die Gutsbesitzer, die wichtigsten Kaufleute, die besten Handwerker. Schweigend, um den Zorn der Götter nicht noch mehr zu erregen, verabschiedeten sie sich von jenem Angehörigen, der sich stellvertretend für jede Familie opfern würde.
    Im Gegensatz zu jenen armen Seelen, die man in die Gruft eingeschlossen hatte, würden diese Menschen als Individuen unter ihrem eigenen Namen und mitsamt ihren Habseligkeient in einem Sarg beerdigt. Und falls derjenige, dessen Namen aufgeführt worden war, nicht selbst in die schnell erbaute Kammer wanderte, würde ihn sein Nachbar bestimmt nicht verraten.
    Opfer war Opfer. Die Götter verlangten nur irgendwelche Tote, die den Namen einer herausragenden Familie trugen. An den Kais drängten sich die zu Passagierschiffen umgewidmeten Handelsschiffe, die noch mit der Abendflut auf eine lange Fahrt auslaufen würden. Auf der Straße längs des Euphrats stauten sich die Wildesel und ihre Besitzer, die Gesichter sorgsam abgeschirmt vor der Sonne und vor neugierigen Blicken, unterwegs zu entfernten Verwandten, zu abgelegenen Landgütern oder angesehenen Häusern der Tafel in anderen Gemeinwesen.
    Die Menschen von Ur fügten sich zwar in ihr Schicksal, doch wussten sie, dass die Götter einen guten Handel zu schätzen wussten und dem Feilschen, einem Tauschgeschäft und günstigen

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