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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Sonderangeboten nicht abgeneigt waren. Über das eigene Schicksal konnte man durchaus verhandeln.
    Gulis Bauch war stramm wie ein Paukenfell. Er hatte zu viel gegessen, gebadet, sich mit einer Blonden und einer Brünetten vergnügt und schließlich damit zu tun gehabt, seine Arbeitsutensilien zu verschenken. Er betrachtete seine Hände, traurig, dass er nie wieder das Gewicht glänzender Locken darin spüren sollte.
    Dass er mit dem Zeigefinger verschlungene Kringel drehen konnte, während er zugleich die übrigen Strähnen an Ort und Stelle hielt, war eine Begabung, für die er in Kur keine Verwendung haben würde. Seine Fingerzwischenräume waren noch fleckig von Ulus letzter Sitzung - bei der er sie als goldene Puabi eingefärbt hatte. Der Blutgeruch hingegen war schon weggespült. Seine Kleider waren brandneu - er trug sogar den gesäumten und mit Troddeln besetzten Umhang eines Alten Knaben und hatte eine Todeskrone aufgesetzt, die zur exakten Reproduktion einer vornehmen Frisur gehämmert worden war, mit unzähligen, einzeln hervorgehobenen Zöpfen.
    Kalam befand sich längst auf einem Schiff, das noch heute Abend nach Dilmun absegeln würde. Dort würde er Gewürze und Geschmeide einkaufen, bevor er in ein paar Monaten zurückkehrte. Bis dahin wäre die Gefahr besiegt, niemand außer den Priestern würde von dem Austausch wissen, und nötigenfalls wären auch sie nicht schwer zu bestechen.
    Gilgamesh, der Sohn Shems, war nach Ur zurückgekommen und während einer Sondersitzung der beiden Häuser zum Lugal gewählt worden. Jetzt stand er seiner Familie vor. Der Korbhut wirkte befremdlich auf dem kahl geschorenen Kopf, und er trug keinen Bart, doch mit den Siegeln und Zylindern seines neuen Amtes, die von seinem perlenbesetzten Gürtel baumelten, strahlte er durchaus Würde aus. Im Gegensatz dazu sah man Shem, dem ehemaligen Lugal, jedes seiner vielen Jahre an.
    Shem gehörte der Ersten Familie an. Sie waren nach der Großen Flut hier gelandet, und die Brüder hatten sich gestritten, bis jeder in eine andere Ecke der Welt ausgesandt worden war, um den Frieden zu bewahren. Ziusudra, wurde gemunkelt, war ihrer ständigen Häkeleien auf dem Schiff überdrüssig gewesen.
    Gerüchten zufolge war Ziusudras erstes Projekt, nämlich Weinberge anzulegen, darauf zurückzuführen, dass er sich betrinken und seine verdrießliche Nachkommenschaft vergessen wollte.
    Kham war in die westliche Wüste und die Gebiete dahinter verbannt worden, Japhets Schiff hatte im großen Nordmeer Segel gesetzt, und nun stellte sich Shem, der Lugal von Ur, der Beschützer der braunhaarigen Menschen, der Herrscher über die schwarzhaarigen Menschen, als Opfer für die Götter zur Verfügung.
    Guli war nicht besonders gut im Rechnen, doch Shem hatte fast so lange gelebt wie die Könige des Einst. Allerdings hatte das Wasser im Lauf der Zeit seine heilenden Kräfte verloren. Heutzutage wurde der Knabe in Windeseile zum Mann, bekam Kinder und wurde in kürzerer Zeit vom Alter gebeugt, als einst ein Junge zum Mann herangewachsen war. Ein Fluch, den die Große Flut gebracht hatte.
    Ob sie durch dieses Opfer wohl etwas so Furchtbares wie die Große Flut abwehrten, rätselte Guli mit Blick zum Himmel. Er leuchtete orange-rosa mit goldenen Streifen. Der Tempelhof füllte sich mit flackernden Lampen.
    Er hatte soeben seinen letzten Sonnenuntergang beobachtet.
    En Kidu sah genauso golden aus wie die Ensi zuvor, doch waren sein Haar und Bart von Natur aus blond, vermutete Guli. Sogar seine Augen leuchteten golden.
    Die Miene des En wirkte bedrückt, und die Kerben um Augen und Mund wirkten im Zwielicht noch tiefer. Als die Trommeln einsetzten, senkte er den Blick zu einem lautlos gemurmelten Gebet. Eine Frau heulte auf, doch ihre Schreie wurden schnell erstickt. Die Priester schoben einen Schlitten mit dem großen Kupferkessel vor.
    Mit zitternder Hand tätschelte Ningal Gulis Arm. »Für dich«, sagte er und überreichte ihm dabei ein Päckchen.
    Guli wickelte es aus und rieb mit den Fingern über die
    Schnitzarbeit. »Mein Siegel.«
    »Es trägt deinen Namen«, sagte Ningal. »Guli, von Inana gesegnet. Du wirst vielleicht für Mes-Kalam-Dug sterben, mein guter Guli, doch die Götter werden dich nicht vergessen.« Er reichte ihm eine Schale.
    Die Augen des Alten glänzten; Guli wusste nicht, was er sagen sollte. Sie umarmten sich ungelenk, weil Guli Angst hatte, Ningal die Rippen zu brechen. Dann ließ er den alten Richter wieder los und reihte sich,

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