Die Händlerin von Babylon
an und marschierte in die Küche zurück. Dort war kein Krümel aufzutreiben - kein Brot im Korb, kein Eintopf auf dem Feuer. Die Behälter für Erbsen und Zwiebeln waren leer, die schmalen gezwirbelten Flachsstränge mit Gewürzen aufgedreht und aufgestapelt.
»Auch recht«, sprach er in die einsame Dunkelheit. »Dann gehe ich eben in die Taverne. Dort bekomme ich was Warmes zu essen und ein erfrischendes Bier. Und kann mich wie ein zivilisierter Mensch mit den Mandanten aus meiner Straße unterhalten.« Er kehrte in den Hof zurück und trat dann durch das Tor auf die Straße.
Heute Abend waren keine Rufe, kein Lachen, kein Frohsinn zu hören. Überall war es so dunkel und still wie unter den Wartenden vor dem Tempel. Auch egal, in der Taverne würden sich die Menschen drängen. Mit schnellen, lauten Schritten eilte Ezzi über den gestampften Lehm und bog um die Straßenecke.
An der Außenwand brannte keine Fackel. Drinnen glühte keine Lampe. Er rüttelte an der Tür, doch die war verriegelt. Die Taverne hatte geschlossen. »Sie war schon immer eine alte faule Hexe«, grummelte er. Die Konkurrenz, die ohnehin besseres Bier ausschenkte, hatte ihr Lokal gleich auf der anderen Seite des Kanals. Dann würde er eben dorthin gehen, umso besser. »Vielleicht gehe ich in Zukunft nur noch dorthin«, meinte er zu sich. »Als Neuanfang. «
Dort hatte Ulu nicht gearbeitet. Das wäre nur gut - folglich würde man ihn dort als Ezzi den Sterndeuter und nicht als den nutzlosen Bankert der Hure Ulu kennen. Er würde sich nicht anhören müssen, wie lustig sie gewesen war, wie sehr alle sie vermissten. Er wäre ein unabhängiger Mann, und imponierend dazu. Einen Moment blieb er auf der Straße stehen und überlegte, ob er umkehren und einen sauberen Alten-Knaben-Umhang holen sollte.
Es war schon spät; und er zu hungrig.
Heute Abend waren alle Türen verrammelt; nur die Vögel gurrten in den Bäumen und gelegentlich heulte ein streunender Hund. Menschen hörte er keine. Ezzi war allein.
Er marschierte über die Brücke, auf die andere Taverne zu.
Die Fackeln an der Tür brannten, das warme Leuchten von drinnen hieß ihn willkommen und versprach eine warme Mahlzeit. Die Bierfrau schaute auf. »Was wünschst du?«, fragte sie. Ihre schwarzen Zähne standen weit auseinander, und über ihren Kopf verteilte sich spinnwebendünnes Haar. Riesige Ohrreifen baumelten in den ausgeleierten Ohrläppchen, und die Augen waren fast zugeschwollen.
»Bier«, antwortete er.
»Was für eine Überraschung, Kleiner. Und was für ein Bier?«
»Was hast du denn?«
»Süßes Gerstenbier, herbes Gerstenbier, gewürztes Gerstenbier, dunkles Gerstenbier«, zählte sie an den Fingern auf. »Frisches grünes Bier, verkorktes Bier, Neujahrsbier, Erntebier -«
»Hast du auch Frühstücksbier?«, fragte er.
»Natürlich.«
»Dann nehme ich das.«
»Frühstück gibt es nur bis kurz nach der Morgendämmerung.«
»Der Tag beginnt aber mit dem Abendzwielicht«, widersprach er.
»Ganz recht, mein Junge, aber früh ist es stets nach dem Schlafen, und schlafen tut man in der Nacht, also frühstückt man auch nur am Morgen. Und darum gibt es bei mir Frühstücksbier nur bis kurz nach der Morgendämmerung.«
Ezzi schaute sich um. In einer entlegenen Ecke war eine Hure mit ihrem Freier zugange. An einem Tisch saßen ein paar Würfel spielende Matrosen, dem Augenschein nach Ausländer. Die übrigen Plätze waren leer, der Boden wirkte klebrig, und die Tische wackelten. »Dann süßes Bier«, beschloss er.
»Honigsüß? Dattelsüß? Honigdattelsüß? Malzsüß? Frischmaischesüß?«
»Ah, dattelsüß«, antwortete er, bevor ihm einfiel, dass ihm honigsüß eigentlich besser schmeckte. Aber da war sie schon verschwunden.
Sie brachte den Krug an und begann das Siegel aufzureißen. »Und womit zahlst du?«
Ezzi erstarrte. Bis heute hatte er sein Bier, Essen, was auch immer, in der Taverne umsonst bekommen.
Weil seine Mutter dort arbeitete.
Mit übertriebener Geste tastete er nach seinen Siegeln und seiner Börse, bevor er die flache Hand auf die Theke knallte. »Bei den Göttern! Das ist doch nicht zu glauben! Den ganzen Tag habe ich mit dem großen Sterndeuter Asa verbracht - ich bin sein Kollege - dann bin ich heimgekommen und habe mich für die Zeremonie vor dem Tempel umgezogen . und dabei muss ich meine Börse am anderen Gürtel vergessen haben. Es tut mir wirklich Leid«, dabei streckte er eine Hand nach dem Krug aus, »ich werde dich gleich morgen
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