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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Antwort, »und kräftig. Gewohnt, einen Haushalt zu führen und Kinder aufzuziehen.«
    Ningal schlug ihm leicht auf die Schulter. »Dann lade jemand anderen ein, denn ich bin alt, Herr.« Er schüttelte den Kopf. »Alt.«
    »Mein Vater hielt dich für den ehrenhaftesten unter allen Richtern. Keiner verstünde mehr von Menschlichkeit als du, hat er gesagt.« Gilgameschs starke Hand schüttelte Ningals. »Überlege dir das mit dem Besuch. Du bist jederzeit willkommen.«
    »Danke.« Ningal verließ den Tempelbereich und spazierte auf seine Straße zu. Alt, dachte er. Wenn mich nur jemand gefragt hätte, wäre ich gern gestorben. Was war ihm denn noch geblieben? Jeden Tag aufzuwachen und zu kontrollieren, wo ihn sein Körper nun im Stich gelassen hatte, bis hin zu jener Morgendämmerung, bei der er sich nicht mehr genug würde regen können, um noch etwas zu erkennen, und dem nächsten Morgen, an dem ihn auch sein Augenlicht im Stich lassen würde? Er bog in den Krummen Weg ein. Das vom Himmel strömende Sonnenlicht malte Schattenlinien auf die Mauern und verlängerte die Palmen auf der Straße um das Doppelte.
    Warum wohne ich eigentlich noch in diesem riesigen Haus, rätselte er. Hier sollte eigentlich eine Familie leben, mit Kindern und Enkelkindern, die im Hof herumrennen, während wunderbare Düfte vom Herd aufsteigen. Kein Greis, der einsam unter dem einzigen Baum im Hof seinen Wein süffelt. »Ich werde es verkaufen«, beschloss er. »Nein, noch besser, ich werde es verschenken. An einen jungen Richter oder Schreiber, der eine Familie gründen möchte.«
    Ningal verstummte in seinem Selbstgespräch. Nicht nur weil er sich wie ein vertrottelter Greis anhörte, sondern auch weil er eine andere Stimme hörte.
    »Hilfe«, flüsterte sie. »Helft mir doch, bitte.«
    Ningal wandte den Kopf und lauschte angestrengt. Ein Wimmern. Er schnüffelte in der Luft und roch Blut. So weit von der Metzgerstraße entfernt durfte es eigentlich nicht nach Blut riechen. Jemand war verletzt. Er schleuderte die Tür zu seinem Hof auf und rief nach den Sklaven. »Seht euch um«, befahl er. »Da ruft jemand nach Hilfe.«
    Vier Augen- und Ohrenpaare hatten das Opfer schnell ausgemacht. Das unter der Tür durchsickernde Blut lieferte den Schlüssel. Ein Alter Knabe lag, schwer blutend, in seinem eigenen Hof. Die Sklaven drückten mit vereinten Kräften die Tür auf, wobei der Körper des Alten Knaben nach hinten kippte. Außer dem Verletzten war keine Menschenseele im Haus, dafür roch es nach abgestandenem Rauch und altem Urin. Ningal stillte den Blutfluss mit dem Saum seines Umhangs, dann schulterten die vier Sklaven den Mann und trugen ihn hinüber in Ningals Haus.
    »Hol die Asu und Asipu«, wies er seinen neuen Schreiber an. »Und sieh nach, ob es irgendwelche Hinweise darauf gibt, wer das getan hat. Borg dir die Leibwächter des Lugal aus, wenn du musst, aber finde irgendwas heraus.«
    Ningal wusch dem Mann das Gesicht und die Brust. Er hatte vier Stiche abbekommen, doch zum Glück waren keine lebenswichtigen Organe getroffen.
    »Lasst mich nicht sterben«, jammerte der Alte Knabe. »Sie wartet bestimmt schon auf mich, und ich kann ihr nicht gege-nübertreten. Lasst mich nicht sterben.«
    Ningal hielt kurz inne, gab Weidenrinde ins Wasser und setzte dann seine Pflege fort. Die Götter waren geradezu sadistisch in ihren Launen. Er winkte einen Sklaven herbei. »Geh zum Haus des Lugal und frage nach Shems Frau. Erzähl ihr, dass der Richter Ningal für einen verwundeten Cousin die heilende Hand einer Frau benötigt. Vor allem soll sie ein starkes Gerstenbier für den Jungen mitbringen, weil er während der nächsten Wochen keine feste Nahrung aufnehmen kann.«
    Der Sklave flitzte los, und Ningal machte sich daran, eine Kräutersalbe auf der Brustwunde zu verteilen, die er daraufhin mit Ameisenzangen verschloss. Ezzi war inzwischen verstummt. Von der Brustwunde würde er sich bestimmt erholen, schließlich war er jung und stark. Doch seine eingedrückten Augen waren nicht mehr zu retten.
    Der Sterndeuter würde nie wieder deuten.

    Die Decke wurde beiseite geweht, und dann spürte sie die Wärme eines großen, nackten Männerkörpers. Cheftus Duft umhüllte sie. Chloe barg ihren Kopf an seiner Brust, und er umschlang sie mit den Armen. Sie war noch halb verschlafen und vollkommen in den köstlichsten Empfindungen gefangen, als ihr langsam ein Gedanke dämmerte. Sie streckte die Zehen aus und spürte Cheftus Knöchel. Dann schlug sie die

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