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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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meinst du das?«
    »Die Sprachen in meinem Kopf, von denen ich als Junge so viele gelernt habe.«
    »Achtzehn, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Wie eingebildet ich war. Ich habe geglaubt, sie würden mir helfen - egal. Das ist Vergangenheit, oder Zukunft. Jedenfalls kann ich mich nicht mehr an sie erinnern.«
    Sie nahm ihn in die Arme. »Du bist übermüdet, du arbeitest zu viel, du -«
    »Chérie, Latein und Chinesisch sind wie ausgelöscht. Ich weiß kein einziges Wort mehr.«
    »Du konntest Chinesisch?«
    »Mandarin, Sezuan und vier weniger bekannte Dialekte, ja.« Er seufzte. »Es ist diese Geisteskrankheit. Eines Tages wirst du aufwachen, und ich werde sabbernd an die Wand starren wie meine Patienten.« Er klang verbittert.
    »Schlaf erst mal«, riet sie.
    »Ich kann nicht -«
    »Ich werde ihnen sagen, dass du zu krank zum Arbeiten bist.«
    Er widersprach nicht. Im nächsten Moment war er eingeschlafen.
    Chloe stand auf, wusch sich das Gesicht, schlug dann den Weg zum Dach hinauf ein, entschied sich um und nahm die nach unten führende Treppe. Bis sie unten angekommen war, dämmerte es bereits. Cheftu hatte ihr erzählt, wo er arbeitete.
    Sie fragte ein Kind nach dem Weg und atmete tief ein, als sie ihm in die Augen blickte. Sonnenblumenaugen, so fing es wohl an. Ein eisiger Schauer durchlief sie. Die Pupillen waren schwarz. Rund herum lagen, wie Blütenblätter, kupferfarbene Plättchen, die das Braun der Iris überdeckten. Sie folgte den Anweisungen und starrte dabei jedem, der ihr begegnete, in die Augen.
    Bis sie jenen makabren Witz, der hier als Lazarett galt, erreicht hatte, hätte sie am liebsten laut geschrien. Jedes zweite Kind zeigte in den Augen die ersten Anzeichen der Krankheit. Viele Erwachsene ebenfalls. Eine Weile arbeitete sie an Cheftus Stelle, indem sie jenen, die noch schlucken konnten, Milch aus dem Kupfertopf einflößte. Sie hörte schlagartig damit auf, als sie den Boden des Topfes sah; er war korrodiert und schwarz - schon fast löchrig. Nur noch ein Rest Milch war übrig, in dem verrottete Kupferflocken trieben.
    Sie siebte das Gebräu notdürftig durch, gab es einem Mann zu trinken und eilte dann mit fliegendem Rock heim.
    Hier konnten sie keinesfalls bleiben! Wenn sie das nur früher gewusst hätte! Wenn sie nur -
    Chloe blieb abrupt stehen. Jemand redete Arabisch. Mit jemandem, der ihm auf Latein antwortete. Sie wusste das nicht, aber sie konnte es sich ausrechnen. Die Unterhaltung war von Missverständnissen durchsetzt. Der eine wünschte sich mehr Ziegel. Der andere glaubte, dies sei ein Befehl, mehr Ziegel zu formen. Er sei kein Ziegelmacher, sondern Asphaltstreicher, protestierte er.
    Ich verliere den Verstand. Jetzt ist es passiert. Ich bin verrückt geworden. Die Schläfen massierend, eilte sie weiter. Sie hörte ein Krachen und sah den Arabisch-Sprecher davonstür-men, laut fluchend, dass er seine Familie mitnehmen und es diesen Idioten allein überlassen werde, die Esagila zu errichten. Nur dass die arabische Übersetzung lautete: die Leiter zum Himmel.
    Bab-ili. Das Tor der Götter. Die Himmelstreppe. Babel. Babylon.
    Ganz bedächtig, voller Angst, dass ihr angesichts dieser Erkenntnis der Kopf von den Schultern kippen könnte, sah Chloe hoch. Bilder aus dem Kunstgeschichtsunterricht blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Tausend Künstler hatten den Turm von Babel dargestellt. Escher hatte ihn unvorstellbar hoch und schmal gezeichnet. Bei Dore hatte er ausgesehen wie eine auf dem Kopf stehende Eistüte. Und bei Breughel ragte er verlassen und verfallen auf, während alles Leben aus ihm floh.
    Doch keiner hatte ihn richtig getroffen. Niemand in der Zukunft hatte den Ahnen zugetraut, ebenso klug oder klüger, ebenso schöpferisch oder schöpferischer, ebenso erfindungsreich oder erfindungsreicher zu sein als man selbst.
    Erst jetzt begriff Chloe, was sie so befremdlich an diesem Ort gefunden hatte; andererseits war sie auch nie der Frage nachgegangen war, worin diese Eigenartigkeit bestand: Ich habe immer alles verstehen können.
    Nicht weil ich alle Sprachen beherrscht hätte.
    Sondern weil alle dieselbe Sprache verwendet hatten.
    Neben ihr fluchte jemand auf Deutsch. Sie verstand zwar kaum Deutsch, aber Flüche erkannte sie sehr wohl. Die Person, zu der er sprach, antwortete auf Sanskrit. Sanskrit!
    Inzwischen stand die Sonne strahlend hell am Himmel, eigentlich sollte sie sich schlafen legen, doch Chloe war nie wacher gewesen als jetzt. Sie bog in einen Weg ein, wo sie

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