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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Seiten von je zwei Kerlen flankiert. Im Unterschied zu ihm waren es Matrosen mit muskelbepackten Armen und breiter Brust. Mit verschränkten Armen blickte Viza auf Guli herab. »Bis nach der Morgendämmerung im Bett zu liegen, als wärst du der En!«
    Guli schaffte es schließlich, sich aus dem Bett zu befreien und jenen Mann zu begrüßen, der bald - sofern sich nicht einiges änderte, also die Geschäfte besser gingen - seinen Laden übernehmen würde. »Ich bin noch nicht in Verzug«, erklärte er Viza. »Die Zahlung ist erst am Ersten des neuen Jahres fällig. Das hast du bei Enlil geschworen!«
    Viza schnippte mit den Fingern, und ein Schreiber kam hereingelaufen, beide Arme voller Lehmtafeln. »Übergib Guli eine Abschrift der neuen Vereinbarung«, befahl er.
    »Ich kann nicht lesen.«
    »Natürlich nicht«, bestätigte Viza. »Also lies ihm eine Abschrift der neuen Vereinbarungen vor.«
    Mit zusammengekniffenen Augen studierte der Schreiber den Lehm.
    Guli merkte, wie es ihm kalt über den Rücken lief, als würde er im Winter seinen Rock verkehrt herum tragen. Das war kein gutes Omen.
    Nach kurzem Räuspern begann der Schreiber mit widerwärtig quäkender Stimme vorzulesen: »Ich, Guli, der ich sechzig Mina Gerste geborgt habe, um für mein Geschäft >Gulis Karum des Stils< einen Laden im angesehenen Weberbezirk zu mieten, werde sie dem großzügigen und erhabenen Bürger, dem Edlen Herrn Viza mit den vorgeschriebenen fünfzehn Prozent Zins zurückzahlen. Falls ich im ersten Viertel des ersten Jahres noch keine Zahlung geleistet haben werde, werde ich meine Wohn-statt aufgeben und mich willens erklären, für den Edlen Herrn Viza als Gärtner zu arbeiten.«
    »Das habe ich nicht unterschrieben«, widersprach Guli. »Und ich habe erst recht keinen Laden im Weberbezirk gemietet. Andernfalls wäre er überlaufen von Weberinnen, die sich die Haare machen lassen!«
    »Dies ist unsere neue Vereinbarung, Guli!«
    »Du kannst nicht die Bedingungen ändern, nachdem wir eine Übereinkunft getroffen haben«, wehrte sich Guli. Er hatte einmal gegen das Gemeinwesen verstoßen; seither kannte er die Gesetze.
    »Ich bin der Edle Herr Viza, du schniefender Scheißeschipper!«
    Seine beiden Begleiter machten sich über Gulis Wohnung her.
    »Was soll das? Habt ihr den Verstand verloren?«
    »Halt den Mund, sonst nehmen sie dich auch noch auseinander«, fauchte Viza.
    Einer der Matrosen kippte Gulis Palmwedelkoffer aus und verstreute dabei seine Unterlagen auf dem Boden. »Moment mal! Rührt die nicht an!«
    Doch die Matrosen stampften mit ihren großen, nackten Füßen auf seinen Quittungen herum, bis sie in Scherben getreten waren. In Splitter. Zu Staub.
    Hilflos musste Guli mit ansehen, wie der Mietvertrag für sein Haus, der Kredit für seine Möbel und der Kaufvertrag für mehrere Eselsschwänze zu Brei zermahlen wurde. Der Edle Herr Viza trat auf ihn zu. Der Winzling mit der hässlichen Kopfnarbe trug nicht einmal den Umhang eines Alten Knaben. »Und jetzt unterschreibst du die neue Vereinbarung, Guli.«
    »Nein.«
    »Unterschreib sie«, wiederholte der Zwerg. »Ich habe drei Zeugen zugegen. Unterschreib.«
    »Das entspricht weder dem Gesetz noch dem Brauch.«
    »Wem wird man wohl eher glauben, einem Verurteilten oder einem Freien?«
    Schon jetzt fehlte Guli das nötige Geld; er würde keinesfalls die Miete plus die verlangten fünfzehn Prozent aufbringen können. Zwar konnte er nicht rechnen, doch das war auf jeden Fall eine Menge Geld. In den Monaten seit seinem Einzug hatte er gerade eben genug erwirtschaftet, um sich Bier und Brot leisten zu können. Resigniert zerrte er sein Siegel vom Hals, jenen beschnitzten Elfenbeinzylinder, der jedem verkündete, dass er, Guli, ein angesehener Mandant der Stadt Ur war.
    Als Symbol für seinen Namen hatte Guli ein Siegel mit der sitzenden Göttin Inana entworfen, der Guli unter Shamashs Sonne das güldene Haar kämmte. Er war so stolz darauf gewesen, dass man es ihm verliehen hatte, dass er jetzt ein freier und edler Mann war. Ein Mandant.
    Nun ertranken all seine Träume in den gnadenlosen, schwarzen Augen dieses lächerlichen, leicht zu überwältigenden Zwerges.
    »Unterschreib!«, befahl Viza. »Und zwar gleich.«
    Die beiden Matrosen beugten sich wie die Geier über Vizas Schultern. Guli musterte die frisch beschriebene Lehmscherbe.
    Der Staub der vorangegangenen Vereinbarungen hatte sich mit dem Lehmboden vermischt. Sein Instinkt riet ihm, Viza das Gesicht einzuschlagen.

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