Die Händlerin von Babylon
sich entschließen, der Sache nachzugehen, wird er feststellen, dass just an jenem Tag, an dem keine Akten über mich gefunden werden konnten, einer meiner Assistenten im Archiv aufgetaucht ist. Meine Menschlichkeit trägt das Kleid der Ehre. Du hast sie und meinen Ruf besudelt. Verschwinde.«
Das pompöse Geschwafel des Sterndeuters brachte Ezzi zur Weißglut. Der Mann war so falsch wie das Haar seiner Mutter; er spielte den Unfehlbaren, und nun wollte er Ezzi dafür schelten, dass er ihm geholfen hatte, diesen Eindruck aufrecht zu erhalten? Als würde etwas oder jemand Fremdes über ihn gebieten, trat Ezzi in den Raum.
»Was soll das? Du sollst verschwinden, habe ich gesagt!«
Blanker Zorn löschte Ezzis Lächeln und seine unterwürfige Haltung aus. »Sprich du mir nicht von Ehre, Herr. Deine Fähigkeit, die Sterne zu sehen, ist dahin, und das schon seit Jahren. Jede deiner Voraussagen ist frei erfunden, stattdessen stiehlst du dein Wissen aus jeder Quelle, die sich dir nur bietet.«
»Das ist eine unerhörte Lüge!«, keifte der Alte, doch seiner makellosen Stimme fehlte die Überzeugung.
Ezzis Mund bewegte sich weiter, er sprach Worte aus, die er sich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hätte. »In diesem Fall wird eine schlichte Untersuchung des Nachthimmels vor unparteiischen Zeugen das beweisen. Der Richter Ningal wohnt in meiner Straße. Bestimmt könnte er etwas Zeit erübrigen, um den ehrenwerten Asa Sterndeuter morgen Abend in seinem Hof zu empfangen.« Mit bebenden Händen wartete Ezzi Asas Reaktion ab. Er wagte nicht weiterzusprechen.
Asa starrte lange auf die mit kunstvollen Mosaiken verzierte Wand. »Was willst du?«, fragte er schließlich.
Ezzi zog behutsam die Tür zu. »Ich will Sterndeuter werden.«
»Was noch?«
»Ich habe die Tafeln. Die aus dem Archiv.«
»Bei Sin -«
»Allerdings nicht bei mir . « Ezzi holte Luft. Es erstaunte ihn selbst, wie fest und kräftig seine Stimme klang.
Ein paar Sekunden verstrichen. »Du hast sie hier im Haus versteckt.«
»Deine Intelligenz ist nicht zu unterschätzen, aber andernfalls könntest du auch kaum den gesamten Rat irreführen.«
»Du hast keinen Beweis für deine Anschuldigungen.«
Der glühende Zorn, den Ezzi empfunden hatte, die Scham, einen »schlechten« Stern entdeckt zu haben, wallten wieder auf. Seine Worte kamen scharf und schnell wie Pfeile. »Darum hast du den neuen Stern auch nicht gesehen. Und die fallenden
Sterne sind dir zwei Nächte lang entgangen, bis ich sie für dich >beobachtet< habe. Erst danach hast du mir in aller Eile beigepflichtet. Du hast Rudi vorgeworfen, dass sie den Blutmond nicht vorhergesehen hätte. Ich habe eine Weile gebraucht, doch schließlich habe ich begriffen, dass die Wahrheit sich leicht verbergen lässt, wenn man für seine extreme Konzentration und die selbst gewählte Einsamkeit berühmt ist. Der Rat glaubt, du würdest mit den Göttern auf einer Stufe stehen und könntest ab und zu einen Blick auf ihre Schicksalstafeln erhäschen. Ich dagegen weiß, dass du nicht mal feststellen kannst, ob es Tag ist oder Nacht, wenn es dir keiner verrät. «
Asa sah ihn nicht an, ließ sich keine Regung anmerken.
Ezzis Schritte führten ihn auf Asa zu. Obwohl seine Knie schlotterten und seine Hände zitterten, trafen seine Worte mit tödlicher Präzision. »Du bist in Ungnade gefallen. Die Ernte ist verloren. Die Ensi wird zurücktreten, und du wirst von ihrer Nachfolgerin möglicherweise nicht wieder zum Sterndeuter ernannt. Wenn du mir Gehör schenkst, könnte ich uns alle retten.«
»Du kannst den Rost wegzaubern?«
Der Sterndeuter hörte ihm zu! Ezzi verbiss sich ein triumphierendes Lachen. »Das nicht, aber ich kann sicherstellen, dass du Sterndeuter bleibst, dass der Wunsch der Götter nach einer neuen Ensi erfüllt wird und dass das Volk zufrieden bleibt.«
»Auch du wirst sicherlich deinen Nutzen daraus schlagen«, meinte Asa spröde.
Ezzi neigte den Kopf. »Meine Erfahrung mag begrenzt sein, doch mein Ehrgeiz ist grenzenlos.« Sowie er die Worte ausgesprochen hatte, begriff er, wie wahr sie waren. Er würde einfach alles tun, um den Machtrausch und den Kitzel zu spüren, von dem er momentan getragen wurde.
»Im Gegensatz zu deiner Menschlichkeit und Ehre«, höhnte Asa.
Ezzi knallte die Faust neben Asas ruhendem Arm auf den
Tisch. »Mach dich nicht über mich lustig!«
»Was für ein vernunftloser Gedanke schwebt dir vor?«
»Ich will einen Schreiber, bevor ich
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