Die Händlerin von Babylon
Hilfe. Eigentlich sollte ich mich jetzt waschen und umziehen. Wir treffen uns heute Abend auf der Ratssitzung mit dem En.«
»Er ist ganz eindeutig ein Bild von einem Fruchtbarkeitspriester«, bemerkte sie. »Ich wette, er hat ein Gehänge wie ein Stier.« Ezzi senkte den Blick. Die schlichten Tatsachen des Lebens bereiteten ihm stets Unbehagen. Wie kann er nur mein Kind sein, sinnierte sie. »Aber so wie die Felder stehen, sind die Götter wohl nicht besonders zufrieden mit ihm.«
Ezzi schnaubte. »Du hast nicht die geringste Ahnung. Auf die Ensi sind die Götter wütend. Die ist für die Ernte und das Wetter verantwortlich.« Er drehte sich um und stieg die ersten Stufen hinauf. »Lass mir etwas Fisch hochbringen. Ich esse ihn beim Umziehen.« »Wir können auch später essen, wenn du heimkommst. Dann warte ich auf dich.«
»Das brauchst du nicht«, wehrte er ab und nahm die restlichen Stufen paarweise. Die Tür knallte, dann blieb Ulu allein zurück. Na ja, dachte sie, vielleicht gehe ich ja doch in die Taverne, um mich mal blicken zu lassen. Allerdings brauchte ihr Kleid eine Wäsche, und eigentlich war sie nicht in Stimmung. Ein nettes Abendessen mit angenehmer Unterhaltung war ihr einziger Wunsch gewesen. Sie konnte gerade noch das flak-kernde Licht sehen, das durch die Spalten in Ezzis verrammelter Tür fiel.
Das Haus war hübsch inzwischen, auch ohne dass Guli ihr beim Einrichten geholfen hatte. Sauber mit frischen Laken und Palmwedeln auf den Betten, nach frisch gebackenem Brot duftend, mit frischen Matten, blühenden Blumen, leichtem Weihrauch. Ezzi hatte das gar nicht bemerkt. Sie hatte gehofft, es ihm recht zu machen, aber offenbar war das nicht möglich. So ein empfindsamer Junge, und so leicht zu kränken. Worüber er jetzt wohl nachdachte? Was er sich wohl ersehnte?
Wie war es möglich, dass sie ihn zur Welt gebracht hatte? Sie waren so verschieden wie Fisch und Fleisch.
Noch während sie hochschaute, ging das Licht aus, und er trat mit feuchtem Haar und in einem nach Sonne und Seife duftendem Umhang heraus. Er rückte die Fibel und seine Zylindersiegel zurecht.
»Du siehst wunderbar aus«, sagte sie. »Wenn du nicht mein Sohn wärst, würde ich wünschen, du wärst mein Freier.«
»Du bist widerlich«, fuhr er sie an.
»So habe ich es nicht gemeint«, protestierte sie. »Du siehst gut aus -«
Er knallte die Tür zum Hof zu. Ulu presste die Lippen aufeinander. Nie sagte sie das Richtige, nie war sie passend gekleidet. Ihr Sohn schämte sich für sie.
»Herrin«, fragte die Küchensklavin, »wie möchtest du den
Fisch?«
Ulu betrachtete ihre geröteten Hände, die das bewusstlose Mädchen mit heißem Wasser und Ölen massiert hatten. Viel zu lange hatte Ulu sie ausschließlich dazu benutzt, ihren Verdienst zu ermitteln und neue Mittel zu verdienen. »Bring mir nur etwas Bier«, befahl sie. »Den Fisch kannst du aufheben.«
»Soll ich ihn räuchern oder als Aspik zubereiten oder einlegen?«
Ezzi war der Ansicht, dass nur Bauern Geräuchertes aßen, weil sie nicht das Geld hatten, jeden Tag etwas Frisches einzukaufen. Und Aspik war zu gewöhnlich. »Wie wäre es mit einem leckeren Eintopf?«
Die Sklavin verschwand und kehrte mit einem Bierkrug sowie einem Trinkhalm zurück. Ulu schickte das Mädchen weg und brach das Siegel selbst auf. Die Zeichen kamen ihr vertraut vor, lesen konnte Ulu sie allerdings nicht. Irgendwie hatte sie den Eindruck, diese Kerben mittlerweile überall und an jedermann zu sehen. Schrift. Die Welt war so schnell geworden, dass sie kaum mehr mitkam. Sie nahm einen vorsichtigen Schluck - das Bier schmeckte bitter. Nicht ihr Lieblingsgeschmack, aber jetzt hatte sie es schon geöffnet. Sie musterte das Siegel. Vielleicht warnte es ja davor, dass dieses Bier bitter war?
Niemand unter ihren Bekannten hätte das feststellen können. Guli konnte ein bisschen rechnen, sodass er seine Tönungen mit Wasser anrühren und fremde Haare verschönern konnte; die meisten Menschen kannten sich einigermaßen mit Gewichten und Tauschraten aus, aber einfach ... lesen können? Wozu sollte das gut sein?
Guli, dachte sie. Ihn würde sie heute Abend gern sehen, mit ihm essen und plaudern. Ulu rief die Sklavin und schickte sie zu Gulis Haus, allerdings erst, nachdem sie sich einen neuen Krug hatte bringen lassen, dessen Aufschrift sich vom ersten unterschied, und nachdem sie anschließend kontrolliert hatte, dass die Gerstenkuchen frisch waren. Ulu wusch sich das Gesicht, prüfte nach, ob
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