Die haessliche Herzogin
Geleit zu geben. Agnes sagte und sah sie süß und unbefangen an, dies sei eine selbstverständliche Pflicht gewesen nach dem vielen Guten, das sie von Haus Tirol empfangen. Zudem sei sie ja dem Toten besonders nahegestanden. Sie könne der Herzogin nicht schildern, wie furchtbar es sie getroffen habe, als sie die grauenvolle Meldung erhielt.
Margarete starrte sie mit ihrem weißen, breiten, mächtigen, geschminkten, maskenhaften Gesicht unverwandt an, fragte, ob sie den Herzog sehen wolle.
Agnes, ein wenig zögernd, denn sie sah Tote nicht gern, bejahte. Die beiden Frauen schritten zu der Kapelle, schwer schleifte sich die Brokatene, die andere ging leicht und hoch. Prunkend aufgebahrt lag der junge Herzog, dick wölkte der Weihrauch, silberne Gewappnete hielten Totenwacht. Die Herzogin winkte, der mächtige Sargdeckel wurde hochgeschlagen, da lag der junge Fürst, gräßlich zerschrundet und entstellt stierte aus der Rüstung sein friedfertiges, dickes Gesicht. Die Leiche war stark verwest, trotz Balsam und Gewürz stieg ein übler Geruch aus dem leuchtenden Metall. Agnes schwankte, verfärbte sich. Margarete führte sie zurück.
Als die beiden Damen wieder am Kamin saßen, sagte Margarete leichthin: »Nun ist unsere letzte Unterredung gegenstandslos geworden, Gräfin Agnes. Mein Sohn ist wieder bei mir, nicht in München .«
Agnes, durch die Leichtigkeit ihres Tons unsicher, nicht wissend, wohinaus sie wolle, erwiderte nichts, äugte, wartete ab.
Die Herzogin, immer in dem gleichen, erschreckend leichten, konversationellen Ton, fuhr fort: »Sie haben Chretien de Laferte geheiratet, dann starb er. Sie haben mir meine lieben Städte von Bayern abhängig gemacht, sie sind fast kaputtgegangen. Sie haben sich mit dem Markgrafen liiert, dann starb er. Sie haben sich zur Vertrauten meines Sohnes gemacht, jetzt ist er tot.
War es nach alledem nicht ein bißchen kühn, daß Sie zu mir nach Tirol gekommen sind ?« Sie sagte das alles ganz obenhin, sie lächelte mit ihrem wüsten, äffisch sich vorwulstenden Mund, ihr leichenhaft geschminktes Gesicht verzog sich in gemachter Liebenswürdigkeit, ja, sie beugte sich vor, legte, was noch nie geschehen war, die Hand mit grauenhafter Vertraulichkeit auf den Arm der Agnes. Die saß da, starr, blaß. »Ich weiß nicht, was Sie wollen«, stammelte sie.
»Es ist nett von Ihnen«, fuhr Margarete fort, »daß Sie von selbst gekommen sind. Ich hätte Sie sonst einladen müssen; glauben Sie mir, ich hätte Sie auf solche Art eingeladen, daß Sie gekommen wären .«
»Ich verstehe Sie durchaus nicht«, sagte, mit fahlen Lippen, Agnes.
»Ja«, brach Margarete plötzlich ab und stand auf, »Sie bleiben also mein Gast, bis der Herzog bestattet ist. Es kann noch eine Weile dauern, die Vorbereitungen sind umständlich .«
»Ich hatte eigentlich vor, die Zwischenzeit in Taufers zu bleiben«, sagte Agnes: sie war klein und ängstlich geworden, ihre Stimme flatterte.
»Nichts da, nichts da !« sagte eifrig die Herzogin.
»Sie bleiben. Waren Sie und die Ihren nicht schon oft Gäste in Tirol?
Denken Sie nicht ans Fortgehen«, schloß sie, während sie Agnes zur Tür geleitete. »Die Reise würde sehr ungemütlich werden .« Ein Diener brachte die schwankende Agnes in ihre Zimmer. Gewappnete standen davor, präsentierten die Lanzen, während sie die Schwelle überschritt.
Margarete, allein, ging auf und ab, ihr Gang war sonderbar beschwingt, ein plumper Tanz.
Wie schade, daß jene sich so einfach in ihre Hand gegeben hatte. Es wäre gut und reizvoll gewesen, sie erst mühsam herzulocken, den Teig zu kneten, ehe man den Kuchen aß. Aber so waren diese Glattlarvigen. Schön und dumm.
Margarete ging ins Freie, allein. In den verschneiten Weinterrassen stapfte sie, kletterte sie. Setzte sich in den Schnee. Tauchte ihre Hand in das Weiche, Kalte, ballte es, ließ fallen, ballte von neuem.
Sie ganz klein machen, sie zerstören, sie in Staub zerpressen, zernichten, zerdrücken, daß nichts mehr von ihr bleibt als ein lächerliches Stück Verwesung.
Sich anfüllen mit ihrer Angst, ihrer Not, ihrem Elend, bis dann ihre Schönheit daliegt, stinkend wie drüben in der Kapelle ihr Sohn.
Als nach einer Weile das dürre Fräulein von Rottenburg kam, hörte sie, was sie seit Jahren nicht gehört hatte. Die Herzogin sang. Mit ihrer dunkeln, warmen, erfüllten Stimme sang sie. Im Schnee saß sie und sang, voll, hallend, aus ihrer wüsten Kehle.
Sie berief zunächst Schenna zu sich. Führte aus:
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