Die haessliche Herzogin
Mühe weiterzubringen waren.
Dann gabelte sich der Weg, man tauchte in dicken, endlosen Forst. Den immer dünneren, tosenden Fluß entlang ritt man, der hell und fröhlich laut durch den dunkeln Wald seine Straße brach. Die Gegend lag schweigend, ungeheuer einsam. Regen rann, gleichmäßig, hoffnungslos, selbst das Pfeifen des Frauenbergers verlor seine Frische in der nassen, grauen Traurigkeit ringsum, lahmte, starb.
Endlich sperrte ein hoher Gebirgsstock das Flußtal, dem man bisher gefolgt war. Man war in einem zirkusartigen Halbrund riesenhafter, grausig kahler, weißlichbrauner Felswände. Dahinter lag Tirol. In diesem Hochtal nächtigte man. Der Frauenberger und die Knechte richteten sich im Freien ein, so gut es ging.
Eine winzig kleine, verfallene Hütte war da, die ließ man als Unterschlupf vor dem Regen dem Herzog.
Da hockte nun, halb kauernd, halb liegend, in der Hütte der Knabe Meinhard, Herzog von Bayern, Markgraf von Brandenburg, Pfalzgraf bei Rhein, Graf von Tirol. Er äugte, lauschte, ob die andern ihn sehen könnten, schon schliefen. Als er sich allein glaubte, hielt er sich nicht mehr. Er hatte Angst, fühlte sich zerschlagen, unsäglich elend. Langsame Tränen kollerten aus seinen blanken, runden Augen über seine dicken, dummen Wangen. Er weinte, weil der Frauenberger sein Murmeltier Peter erdrückt hatte, er weinte, weil die Felswände so hoch waren, die er morgen übersteigen mußte.
Agnes war verblüfft über die meisterhafte Schlichtheit, wie der Frauenberger den Herzog so frech und geradezu entführt hatte. Er imponierte ihr, er war ein Kerl, daran war nicht zu rütteln. Mit Unlust, ohne Schwung und Glauben an Erfolg traf sie Gegenmaßnahmen.
Am liebsten hätte sie alles dem Prinzen Friedrich überlassen; doch der war in Ingolstadt. Sie mußte allein die Verfolgung organisieren.
Sie schickte Kuriere an die Grenzen, kleine Streifen Bewaffneter. Man mußte sacht vorgehen, durfte kein Aufsehen erregen; es ging nicht an, den Fürsten mit sichtbarer Gewalt am Betreten seiner Grafschaft Tirol zu hindern.
Der Frauenberger glaubte sich, nachdem er das kleine Jagdhaus im Karwendel hinter sich hatte, schon ungefährdet. Doch wenige Stunden bevor sie den bequemen Paß zum Achensee erreichten, begegnete ihnen der Transport eines Holzhändlers, der in diesen Gegenden gearbeitet hatte und den früher einmal, nachdem er gewisse etwas zu gewalttätige Transaktionen nicht ruhig hingenommen hatte, der Albino hatte stäupen lassen. Der Frauenberger dachte zunächst daran, den Holzhändler anzufallen und beiseite zu schaffen; doch da hätte einer von den sechs Knechten des Transportes sich durchschlagen können, und dann war der Herzog noch mehr gefährdet. Der Frauenberger beschloß also, den Holzhändler laufen zu lassen und, trotz der Bedenken der wegekundigen Knechte, statt des leichten Übergangs über das Plumser Joch den schwierigen, ungewöhnlichen Weg über das Lamsenjoch nach Schwaz oder Freundsberg zu versuchen.
Man ließ die Pferde zurück, bog kurz vor der Felswand in ein Seitental. Der Bach, der dieses Tal gebildet, hatte kein starkes Gefälle, oft verlor er sich ganz, floß unterirdisch. Der pfadkundige Knecht führte.
Man stieß auf Weidengehölz, Moorboden. Es regnete noch immer. Dann, überraschend, weitete sich das Tal.
Fremdartig war plötzlich ein Ahornbaum da. Mehrere.
Ein ganzer Hain. Die alten Bäume standen groß und still im Regen. Nur undeutlich erkannte man durch sie und hinter Regenschleiern die riesigen, weißen Bergwände, die weit und unwiderruflich ringsum das Tal schlossen, und sie waren so hoch, daß man durch die Bäume ihre Gipfel nicht sah. Kein Wind ging, man hörte still und gleichmäßig den Regen triefen von den Blättern der alten, ernsten, fahlfarbenen Bäume.
Meinhard konnte nicht weiter. Man rastete in dem ständig rieselnden Regen, machte sich an die mitgebrachten Speisen. Meinhard konnte nicht essen. Es ängstete ihn, daß man die Gipfel der Felswände nicht sehen konnte. Nie wird er da hinauf-und hinüberkommen; man stand eingesperrt in diesem Tal unter den unheimlichen, leichenhaften Bäumen wie am Ende der Welt.
Sie begannen den Aufstieg. Er war fürs erste nicht schwer. Man stieg sachte, in kleinen Windungen einen Gießbach entlang. Die Knechte voraus, den bequemsten Pfad suchend. Meinhard hatte schon schwierigere Wege gemacht; aber es war wie eine Lähmung über ihm. Die Beine waren ihm wie Klötze, er schwitzte vor Mattigkeit, atmete mit
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