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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Mühe. Er glitschte auf dem nassen Stein, der Frauenberger stützte ihn, er zuckte bei jeder Berührung. Je weiter man emporklomm, so höher, höhnischer, unüberwindlicher starrte ihm die Felswand.
    Abgeblühte Alpenrosen, Kriechgehölz, Schnee. Die Knechte stapften gleichmäßigen Schrittes voran. Unsicher, gleitend, schnaufend, aussetzend folgte der Herzog. Plötzlich blieb einer der Knechte stehen, horchte, sah den Frauenberger an. Der hatte schon gehört, erlaubte seinem nackten Gesicht kein Zucken.
    Der Holzhändler hatte also doch wohl Alarm geschlagen. »Menschen oder weidendes Vieh«, sagte er gleichmütig. Drängte weiter. Auch die Knechte nahmen rascheren Schritt.
    Meinhard hatte auf Rast gehofft. Es erbitterte ihn, daß man dazu keine Anstalt machte. Dann fiel er in trübe Lethargie, ließ sich schlaff von dem feisten Mann weiterzerren. Sowie man einen Augenblick ausschnaufte, brannte einen die scharfe Kälte. Der Schnee wurde tiefer, der junge Herzog brach bei jedem Schritt ungeschickt ein.
    Der Frauenberger überlegte schneidend klar. Ohne den Schnee hätte man ihn wohl hinüberbringen können. So war es nicht möglich, mit dem Jammerlappen über das Joch zu kommen. Zudem schien es, als ob Meinhard jetzt störrisch würde. Er machte sich schwerer, träger.
    Die Knechte waren ein gutes Stück voraus. Der Frauenberger blieb stehen. »Na, junger Herzog ?« quäkte er. »Müde?« Meinhard sank erschöpft in den Schnee, atmete hastig. Der Frauenberger pfiff sein Liedchen. Dachte scharf nach. Dies also war schiefgegangen. Er hatte sich schon abgefunden. Wie weiter?
    Meinhard in die Hand der Wittelsbacher zurückfallen lassen? Die würden nach der mißglückten Flucht den Jungen doppelt fest haben. Es wäre gut gewesen, Meinhard gegen die Maultasch ausspielen zu können. Das ging nicht. Dann besser mit der Maultasche allein, und der lästigen Kontrolle der Wittelsbacher ein für allemal der Vorwand entzogen.
    Er pfiff noch immer. Trank Wein aus seiner Flasche.
    Reichte auch Meinhard zu trinken. »Wir müssen weiter, junger Herzog«, sagte er. Gab ihm die Hand, ihm beim Aufstehen zu helfen.
    »Ich kann nicht«, klagte Meinhard, als er mühsam stand. »Ich mag auch nicht«, fügte er störrisch hinzu.
    »So ?« feixte der Frauenberger. »Na, dann nicht, Bub«, sagte er. Er quäkte es gemütlich wie stets; aber etwas in seiner Stimme zwang Meinhard aufzublicken.
    Der Albino blinzelte durchaus nicht mehr, er schaute hart, aufmerksam, erst nach den Knechten, die weit voran waren, dann auf ihn. Meinhards blanke, runde Augen wurden ganz starr vor Grausen, seine Kehle gab nicht mehr her als einen kleinen, heiseren Laut. Er krampfte seine kurzen, dicken Kinderhände in das Holzgezweig der Alpenrose, bohrte seine Füße in den Boden. Der Frauenberger, ruhig grinsend, sagte: »Na komm, junger Herzog!«, löste langsam mit seinen roten, fleischigen Händen die steifen, klammernden Finger des Jungen von dem Felsen, hob ihn hoch, hielt ihn über den Abgrund, quäkte: »Adieu, Bub!«, ließ ihn fallen. Der Körper schlug mehrmals auf, fiel nicht tief, blieb liegen.
    Der Frauenberger rief mit einem harten, gellen Pfiff die Knechte zurück, deutete wortlos hinunter. Sie stiegen hinab, die Leiche war arg zerschrundet, der dicke, sanfte Schädel klaffte an zwei Stellen. Sie warteten auf die Verfolger. Es waren zwei Offiziere mit mehreren Knechten. Der Frauenberger sagte, er habe mit dem jungen Herzog Murmeltiere fangen wollen, da sei der Herzog gestürzt. Fleischig stand er in seinem nassen, stark riechenden Lederkoller, blinzelte mit den rötlichen Augen. Flockiges Gemengsel von Schnee und Regen rieselte auf die Leiche. Ein leichter, kalter Wind hatte sich aufgemacht. Alle hatten Helme und Kappen abgenommen, standen stumm im Schnee um den zerschrundeten Toten.
    *
    Durch die Säle und Gänge von Schloß Tirol torkelte ein Weib, lallte, heulte, fiel hin, stand wieder auf, torkelte weiter. Der übergroße, unförmige Unterkiefer fiel herunter, das Haar zottelte, teils in stumpfem, widerwärtigem Kupfer, teils gelblichweiß entfärbt. Ein Laken, eine Art Nachtgewand, flatterte um den untersetzten, aufgequollenen Leib, um die schlaffen, großen Brüste, schleifte am Boden nach. Die Dienerschaft hielt die Heulende, Torkelnde, Lallende für eine Betrunkene, erkannte erst allmählich die Herzogin.
    Der Kurier mit der Todesnachricht war in aller Frühe gekommen, Margarete hatte die Meldung im Bett erhalten. Sie war aufgestanden, nicht

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