Die haessliche Herzogin
übermäßig rasch, aufheulend, an den ratlosen, scheuen Zofen, Kämmerlingen vorbei, stier, blind, das Laken hinterherschleifend.
Schenna führte sie zurück. Nun hockte sie in ihrem Schlafzimmer, stierte vor sich hin, dachte Fetzen von Gedanken.
Gesäumt mit Toten ihre Straße. Der Kopf des Chretien de Laferte, das Pulver, geruchlos, geschmacklos, daran der Markgraf gestorben war, ihre Mädchen, mit den großen, schwarzen, aufgebrochenen Pestbeulen, der Jude Mendel Hirsch, im Gebetmantel, lächelnd, der Knabe Aldrigeto, Meinhard. Es war, weil sie so häßlich war, darum ging der Tod hinter ihr her, darum stierten sie aus allen Winkeln leere, beinerne Schädel an.
Sie hockte und regte sich nicht. Mittag kam, Abend kam. Ihr dürres Fräulein von Rottenburg fragte, ob sie nicht essen, sich nicht ankleiden wolle. Sie regte sich nicht. Ihr Weg gesäumt mit Toten. Es war, weil sie so häßlich war.
Unterdes geleitete der Frauenberger die Leiche Meinhards über Mittenwald nach Tirol. Er feixte: er bekam es allmählich in den Griff, seinen toten Souverän zu geleiten.
Das Land in den Bergen empfing betreten seinen Fürsten. Es hatte ihn in feierlicher Tagung gebeten zu kommen. Nun kam er, so. Sie standen an den Straßen, als der Zug vorbeischwankte, in Regen und Schnee.
Glocken läuteten, die Geistlichen im Ornat, die Feudalherren, Richter, Pfleger barhaupt. An ihnen vorbei der Sarg, den Zirler Berg hinauf, hinunter, Innsbruck, den Brenner hinauf, hinunter, den Jaufen, Passeier.
Das Volk, während es, sich bekreuzigend, dem Zuge nachsah, hatte langsame, schwere, unbehagliche Gedanken. Dies war der letzte Graf von Tirol. Es war nicht gut gegangen mit der Maultasch. Ihr erster Mann verjagt, der zweite so seltsam gestorben, ihr Sohn tot, ehe er sein Land gesehen. Dazu Krieg, Revolution, Wasser, Feuer, Pestilenz. Nein, Tirol hatte keine gute Zeit gehabt unter der Maultasch.
Starr, am Tor des Schlosses, erwartete die Herzogin den Zug. Grell hob sich von dem schwarzen Gewand die weiße Schminke. So schritt sie über die Höfe des Schlosses neben der Bahre, allein. Es schneite. Hinter der Bahre, massig, in Rüstung, wuchtete der Frauenberger.
In München war man sehr betreten, als die Nachricht eintraf von Meinhards Tod. Hier glaubte kein Mensch an einen Unglücksfall, man zweifelte höchstens, ob der Frauenberger auf eigene Faust gehandelt oder im Auftrag der Maultasch; doch wagte niemand, dieser Überzeugung Laut zu geben. Nur der sensationslüsterne Florentiner Giovanni Villani, der Chronist, der sich zur Zeit zum Zweck gewisser archivalischer Feststellungen in München aufhielt, der Nebenbuhler des wackeren Johannes von Viktring, behauptete die gewaltsame Beseitigung des jungen Herzogs als Tatsache. Er zählte sorglich disponiert und sich steigernd alle Gründe her, die zu solcher Tat führen konnten und mußten, er schrieb darüber ein elegantes, beredtes Kapitel in seiner Chronik und las es jedem vor, der es irgend hören wollte.
Stephan, Friedrich, Agnes standen benommen von Wut und Bestürzung. An eine Lösung von so schlichter, zynischer Brutalität hatte niemand gedacht. Zum erstenmal, seitdem sie sich kannten, sprangen Agnes und Friedrich einander an. Er hätte den Frauenberger wegschicken müssen, hätte München nicht verlassen dürfen, solange jener da war, sagte sie. Er sagte, sie hätte Meinhard besser müssen überwachen lassen; kaum sei man einen Tag fort, gehe schon alles drunter und drüber, auf niemanden sei Verlaß. Herzog Stephan stand ziemlich unglücklich zwischen ihnen. Er hatte es ja gewußt, das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm, es war ihm nicht vergönnt, Wittelsbach wieder groß zu machen in der Christenheit. Als sie sich müdegestritten hatten, kamen sie überein, vorläufig das Hauptaugenmerk auf die Erhaltung von Bayern zu richten; die Grenzen zu entblößen und nach Tirol vorzustoßen, fühlten sie sich militärisch nicht stark genug. Hingegen wollte Agnes nach Tirol reisen, dort vorfühlen.
Mit ganz kleiner Begleitung traf sie auf Schloß Tirol ein. Am gleichen Tage noch wurde sie von Margarete empfangen. Rosig, glatt, jung, blond saß sie da; in einem sehr einfachen schwarzen Kleid; grellweiß geschminkt, die Hände, den unförmigen Hals schwer von leuchtenden Steinen, prunkte in Atlas und Brokat die Herzogin. Es sei sehr liebenswert von Agnes, sagte sie mit etwas steifer, zeremoniöser Stimme, daß sie die beschwerliche Reise im Winter nicht gescheut habe, ihrem Sohn das letzte
Weitere Kostenlose Bücher