Die haessliche Herzogin
Der Sturz, an dem Meinhard sich zu Tode gestürzt, sei fraglos verschuldet durch die Gräfin von Flavon-Taufers. Sie sei nicht gewillt, dies Verbrechen zu vertuschen. Beabsichtige vielmehr, es mit beispielhafter Strenge zu bestrafen. Schenna, tief beunruhigt, riet dringend ab. Das Volk hänge nun einmal an Agnes mit ebenso heftiger wie grundloser Sympathie. Gegen sie vorzugehen sei gefährlich. Man könne sie an Besitz, Macht, Einfluß kürzen; weiterzugehen verbiete die Staatsklugheit,
Margarete, gereizt und nervös, erwiderte, sie wisse sehr gut, wie unpopulär sie sei. Schlimmer könne es nicht werden. Sie riskiere also nichts.
»Doch !« erwiderte mit ungewohnter Schroffheit Schenna. Alles riskiere sie. Offene, nur den Wittelsbacher fördernde Revolution riskiere sie. Sie brach aus, verströmte: Unter keinen Umständen dulde sie länger die Nebenregierung dieser Person. Lieber danke sie ab.
Sie starrte hitzig, allen ruhigeren Erwägungen unerreichbar, vor sich hin. Schenna lief unbehaglich mit seinen langen, ungleichmäßigen Schritten hin und her.
Wenn sie durchaus beharre, riet er nach einer Weile, das Gesicht verdrießlich und kurios verzogen, dann solle sie in Gottes Namen einen Staatsgerichtshof einberufen. Um alles in der Welt nicht möge sie gegen Agnes vorgehen ohne Spruch und richterliches Urteil.
Sie berief den Frauenberger, die einzelnen einflußreichen Feudalherren. Schneidend klar erkannte sie: Alle waren gegen sie, alle waren für Agnes. Aber mit wenigen Ausnahmen waren sie bereit, sich ihre Meinung abkaufen zu lassen. Sie nahmen Margaretes Vorgehen gegen Agnes als eine Laune. Gut, sie waren bereit, diese Laune zu decken; aber sie fanden es angemessen, daß Margarete diese Bereitschaft teuer bezahle.
Alle verlangten, alle forderten. Es preßte Margarete das Herz ab, knirschte ihr die Zähne zusammen. Sie standen vor ihr, unterwürfig, loyal, voll patriotischer Bedenken. Darunter grinste der Hohn: gibst du nicht, so kriegst du nicht.
Die Barone verständigten sich untereinander, glichen ihre Ansprüche aus. Der Frauenberger überbrachte der Herzogin ihre gemeinsamen Forderungen.
Sie waren nackt, schamlos. Margarete solle ein Kabinett aus neun Ministern bilden. Vorgesehen waren der Frauenberger, Schenna, Berchtold von Gufidaun; die beiden Herren von Matsch, der Landeshauptmann und der Vogt, der Deutschordenskomtur Egon von Tübingen; Heinrich von Kaltern-Rottenburg, Diepold Häl, Hans von Freundsberg. Diese Herren, die auch als Richter in dem Prozeß der Gräfin von Flavon fungieren würden, sollten die oberste Justiz-und Verwaltungsbehörde des Landes bilden. Margarete solle sich verpflichten, ohne ihre Zustimmung keine Regierungshandlung vorzunehmen, niemandem ein Amt zu verleihen oder zu entziehen, mit keinem auswärtigen Fürsten zu verhandeln, Bündnis, Vertrag zu schließen.
Auch solle sie keinen Minister absetzen dürfen; schied ein Mitglied durch Tod oder sonstwie aus, so solle nicht die Fürstin, sondern das Kabinett den Nachfolger bestimmen.
Margarete saß über dem Dokument, allein. Sie runzelte die Stirn so stark, daß die Schminke abbröckelte.
Dies unterschreiben hieß: die Städte preisgeben, das Land den frechen Baronen hinschmeißen, daß sie ihre gierigen Zähne hineinschlügen, jeder sich ein Stück herausreiße. Dies unterschreiben hieß: das Land Tirol zerfallen lassen in eine Reihe kleiner Adelsherrschaften, schimpflich zerschlagen das Werk, daran die Väter und sie hundert Jahre lang Besitz, Nerven, Leben gesetzt.
In ihren Gedanken war plötzlich das kleine, bebartete Wesen, das sie einmal gesehen in den Felsen von Schloß Maultasch. Es neigte sich viele Male, schaute sie aus ernsten, uralten Augen an, tat den Mund auf.
Mit Gewalt scheuchte sie den Zwerg fort. Hin, Land!
Hin, Städte! Hinunter, Nacken! Duck dich der Arroganz der Vasallen! Es muß sein. Es muß ausgetragen sein zwischen ihr und jener. Es wäre sinnlos, jetzt die Forderungen der Barone zu weigern und jene zu schonen. Sie würde weiter am Werk Margaretes nagen, es aushöhlen, verderben. Die Schöne war der Wurm des Landes, alles Übel kam von ihrer frechen, geilen Schönheit. Sie muß hinsein, sie muß getilgt sein, sie muß aus dem Licht, sie muß weg von der Erde. Das Land in den Bergen hat nicht Frieden, solang jene da ist.
Wenn sie sich aufriß vor Gott, sie durfte sagen: Es hatte Stunden gegeben, Tage, Wochen, wo kein kleiner, eitler Gedanke in ihr war, nur der reine, lautere Wille, sich zu
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