Die haessliche Herzogin
schwieg.
Margarete beharrte. Mit fieberischen, stammelnden, ungeordneten Worten erklärte sie immer wieder, sie gehe nicht ab, sie sei das ihrem Prestige schuldig, sie bestehe darauf.
Doch die Minister blieben fest. Sie beriefen sich auf das Abkommen, sie zeigten die Zähne, erklärten, niemals würden sie die erforderliche Zustimmung zu Maßnahmen gegen die Tote geben. Margarete geiferte von Meuterei, Empörung. Die Minister erwiderten, sie nähmen diesen Vorwurf ruhig hin. Ihr Gewissen sage ihnen, ihr Widerstand geschehe im Interesse des Landes und der Herzogin selbst; auch seien sie, wenn sie sich vor die Tote stellten, der Billigung der ganzen Christenheit gewiß.
Margarete mußte sich fügen.
Sie wütete kraftlos, versagend. Die Minister, die Lumpenkerle, die Feiglinge! Wie froh sie waren, ihren Spruch nicht vertreten zu müssen! Wie schamlos hatten sie sie übertölpelt! Sie um das Land geprellt und sich dann mit übler Sophisterei dem Pakt entzogen.
Lumpen, Gauner, Erpresser! Sie dachte daran, sich an das Ausland um Hilfe zu wenden. Aber die Wittelsbacher waren geschworene Anhänger der Agnes, und der Habsburger war zu klug, um sich durch Maßnahmen gegen die Tote von vornherein unpopulär zu machen.
Sie wagte einen äußersten, hilflosen Versuch, die Tote zu besiegen. Sie setzte in letzter Stunde die Beerdigung Meinhards so an, daß sie zusammenfiel mit der Beerdigung der Agnes. Wer nach Taufers ging zu der toten Agnes, mußte der Bestattung des Landesfürsten fernbleiben. Trotzig, verzweifelnd rief sie das Land an, zu entscheiden zwischen ihr und der Toten.
Schweigsam, vor sich hin trotzend, verwildert saß sie auf Schloß Tirol, wartete, wer zu ihr kommen werde, wer zu Agnes. Im tiefsten Innern wußte sie so gut wie alle, daß Agnes sie durch ihren Tod besiegt hatte, daß der Kampf aus war und die Tote durch keine Kraft und keine List mehr erreichbar.
*
Die Herren des Kabinetts verständigten sich, wer an der Bestattung des jungen Herzogs teilnehmen, wer nach Taufers gehen solle. Sie kamen überein, jedem einzelnen Entschluß und Verantwortung für sich zu überlassen. Die meisten beschlossen, zur Gräfin von Flavon zu gehen. Hatten sie nicht die Hände rein von diesem Blut? Warum sollten sie es nicht zeigen? Der Frauenberger, der Deutschordenskomtur Egon von Tübingen, der redliche, schwerfällige Gufidaun beschlossen, in Tirol zu bleiben.
Jakob von Schenna saß spätabends noch wach. Aber er las nicht in dem Buch, das er sich aufgerollt hatte.
Er ging auf und ab mit seinem steifen, ungleichmäßigen Schritt. Er hatte erst vorgehabt, krank zu sein und weder nach Tirol noch nach Taufers zu gehen. Das Politische war ihm gleichgültig. Die Meinungen und Wallungen des Pöbels kümmerten ihn nicht, und er hatte für seine Person viel zuwenig Ehrgeiz, um sie in Rechnung zu stellen. Der Streit zwischen den Frauen aber hatte ihn von je erregt; er rührte ihn noch tiefer auf, seitdem er zwischen der Toten und der Lebenden ging. Margarete hatte Hilfe von ihm verlangt; er hatte sie ihr, zum erstenmal, versagt. Er wollte sich nicht hineinziehen lassen in diesen Kampf, er wollte nicht Partei nehmen. Er wollte nicht.
Wiederum vielleicht fast als einziger durchschaute er die Zusammenhänge. Margarete, die Fürstin, hatte recht . Agnes war die Verderberin gewesen, es war ein Segen für Tirol, daß sie weg war. Aber hatte Margarete, die Fürstin, den Schlag geführt oder Margarete, die Frau? Hatte Agnes sterben müssen, weil sie das Land schädigte oder weil sie schön war? Er wagte nicht zu entscheiden. Dies eine war gewiß: Agnes war die schönste Frau gewesen vom Po bis zur Donau. Er war ein alternder Herr. Wagte er vielleicht nur deshalb nicht zu entscheiden?
Er wollte nicht bequem sein, er wollte nicht alt sein.
Es war nicht recht gewesen von der Maultasche. Er hatte ihren wüsten Mund hingenommen, ihre Hängebacken, ihre ganze, arme Häßlichkeit. Ihren Haß gegen die Tote nahm er nicht hin. Ein simples, gerades Gefühl stellte sich gegen sie. Man mußte Zeugnis ablegen für die Schönheit. Er wird nach Taufers gehen.
Vom Pustertal her über Bruneck goß es sich in das Tal von Taufers. Niemals hatten diese Berge soviel Menschen gesehen. Durch den hohen Schnee mühselig stapfte es heran, bald war eine Straße getreten. Unter dem freien, bestirnten Himmel nächtigte es in der scharfen, klaren Kälte. Eine Stadt von Zelten breitete sich. Tausende und immer neue Tausende schoben sich heran, Weiber, Kinder,
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