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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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die Mühsal und Gefahr des Winters nicht scheuend. Durch die Schneeluft klangen die Verwünschungen der Margarete, der Hexe, der Gezeichneten. Ruchlos, meuchlings hatte die wüste Teufelin die sanfte, süße Agnes ermordet. Nun lag sie aufgebahrt in der Kapelle von Taufers, ein Engel Gottes, wächsern, eine bunte, schöne Heilige. In endlosem Zuge wallte es an ihr vorbei, sehr verschieden von Stand, Alter, Aussehen, Barone, Bauern, Bürger, aber alle andächtig, ergriffen, mitleidig, alle voll wilder, fluchender Empörung gegen die Herzogin.
    Vereinsamt indes in der Kapelle von Schloß Tirol lag der tote Meinhard, letzter Graf von Tirol. Nur die Hofbeamten und Offiziere waren geblieben, die unter allen Umständen bleiben mußten.
    Wortkarg, eisig verschlossen ging Margarete durch ihre tuschelnde Umgebung, übersah die Lücken unter den Gästen, traf, umkrustet, die letzten Anordnungen der Trauerfeier. War Herr von Schenna nicht da? Nein, bis jetzt war er nicht gekommen. Am Nachmittag: immer noch nicht? Nein, Herr von Schenna war nicht da.
    Sie schickte einen Kurier nach Burg Schenna. Herr von Schenna war verreist. Nach Taufers.
    Auch Schenna.
    Der starke Verwesungsgeruch, der von der Leiche Meinhards ausging, drang durch alle Essenzen und Gewürze. Er benahm den Leuten in der Kapelle den Atem, die Wache haltenden Offiziere mußten von Stunde zu Stunde gewechselt werden.
    Um die dritte Stunde nach Mitternacht ging Margarete in die Kapelle. Stumm hockte sie neben ihrem verwesenden Sohn, der Geruch der Verwesung scheuchte sie nicht fort. Die Wachen wurden gewechselt, das zweitemal, das drittemal, sie hockte neben dem Toten, rührte sich nicht.
    Auch Schenna.
    Sie rief die Feindin herbei, die Tote, sie rief herrisch.
    Jene kam. Sie rechtete mit ihr. Jene lächelte, sprach nicht. Sie hielt ihr vor, was alles sie verbrochen hatte, sinnlos, eitel, frech spielerisch in ihrer glatten, nichtigen, schamlos genießerischen Schönheit. Hier in der Kapelle, wo die toten Grafen von Tirol lagen, die das starke, reiche, berühmte Land in den Bergen gefügt hatten und zusammengeknetet, hielt sie der toten Feindin vor, was sie zerstört hatte, verdorben, verhunzt. Jene glitt auf und ab, leicht, unerreichbar, die Verwesung zerteilte sich rings um sie, sie lächelte, glitt, sprach nicht.
    Auch Schenna.
    Jene hatte gesiegt. Margarete hatte recht , und jene hatte gesiegt. Margarete hatte vernichtet, und jene hatte gesiegt. War vernichtet, war tot und hatte gesiegt.
    Alle kamen zu ihr. Auch Schenna.
    Dann, andern Tages, wölkte der Weihrauch, sangen die Trauerchöre, sank der Sarg, schlossen die Steinplatten, schwer niedergleitend, die Gruft. Aber die Feier blieb ohne inneren Hall. Die Chöre blühten nicht in die Herzen, die feierlichen Gesten blieben kahl, die spärlichen Teilnehmer standen steif, unbehaglich, fröstelnd.
    In der Zeltstadt um Taufers hatte ein großes Trauergelage angehoben. An riesigen, offenen Feuern wärmte man sich, briet und sott man. Die scharfen Grenzen der Stände verwischten sich. Wildbret und Fisch, dem Bauern sonst durch strenges Gesetz versagt, genoß er statt Rüben und Sauerkraut. Der Stadtbürger steuerte Wurst bei und Schweinebraten. In der fröhlichen Kälte hob ein großes, gerührtes, trauerndes, maßloses Fressen und Saufen an. In seliger Trunkenheit gedachte man in überschwenglichen Reden der engelhaften Schönheit, Milde, Güte der toten Gräfin von Flavon; wilde Flüche gellten gegen die Maultasche, die Teufelsbuhle und Mordbübin. Noch die tote Agnes blieb dem Volk verklärt von einer festlichen Wolke nie mehr zu erreichenden, duftenden, gebratenen Fleisches und flutenden Weines.
    Einsam in Schloß Tirol hielt Margarete das prunkende Totenmahl. Steif saß sie, geschminkt, allein, unter Fahnen, Feldzeichen, Standarten, an der von Schaugerichten, Gold und Steinen strotzenden Tafel.
    Der Frauenberger, leicht grinsend, Gufidaun, der Deutschordenskomtur nahmen den Kämmerlingen, Vorschneidern die Speisen ab, trugen sie zeremoniös zu Tische. Margarete saß steif, starr. Die Speisen kamen, in ungeheurer Fülle, wurden unberührt wieder weggetragen. So hielt sie Totenmahl, drei Stunden lang.
    Der Sekretär des Frauenbergers, der stille, demütige Kleriker, bekam zu tun. Die Minister nützten mit nackter Schamlosigkeit den Vertrag aus, den sie der Herzogin abgepreßt hatten, teilten das Land unter sich auf. Es flogen die Schenkungsurkunden, Gaben, Gnaden, Privilegien, Verschreibungen. Das Regiment der

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