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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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merkte, daß ihre Worte zu Boden fielen und keinen überzeugten. Da erhob sie sich, sie stand da, heiter, frei, leicht, stolz, sie sah die Herren an, einen um den andern, sie sagte: Wenn sie eine Sünde begangen habe, dann nur die, daß sie auf der Welt sei. So habe Gott sie geschaffen. Solange sie sich nicht auslösche, könne sie nicht hindern, daß man den Kopf nach ihr wende, an ihr Gefallen finde.
    Alle schauten sie an, selbst der rasche Federkiel des Pfarrers von Tirol hörte zu kritzeln auf. Mit seinen müden, grauen Augen schaute Schenna sie auf und ab, angestrengt starrte ihr der hagere, rechtliche Egon von Tübingen in die tiefen, blauen Augen, der biedere, gutmütige Berchtold von Gufidaun schnaufte, seufzte, aus seinen rötlichen Augen blinzelte der Frauenberger.
    Diese ihre Worte, das spürte Agnes, waren nicht zu Boden gefallen. Sie hatte einen Teil ihres Wesens herausgeholt, hochgehoben mit beiden Händen, den Männern hingehalten, stolz, vor der Feindin: Da! Seht her! So bin ich! Sie genoß ihre Wirkung, atmete, genoß.
    Da sah sie, daß auch die Maultasch sie anschaute.
    Die blauen Augen der Schönen tauchten tief in die braunen der Häßlichen. Und Agnes sah, daß Margarete lächelte. Ja, ein kleines Lächeln zerschnitt das grellweiß geschminkte Gesicht der Herzogin, und es war nicht gekünstelt, es war echt. Da wußte Agnes, daß jene vorgesorgt hatte, daß ihr Triumph im vorhinein vergiftet, daß sie verloren war. Sie begann plötzlich zu zittern, sie verfahlte, ihre Glieder erschlafften, sie mußte sich setzen.
    In das Gemach der Verurteilten trat unangemeldet, überraschend die Herzogin. Agnes hatte den Spruch sehr in Haltung hingenommen, frei, leicht. Sie hatte sich auch, als sie allein war, gesagt, die Maultasch werde nicht wagen, weiterzugehen. Aber dann hatte sie an das leise, tiefe Lächeln Margaretes gedacht, und den Magen herauf war ihr wieder jenes peinliche, fröstelnde Gefühl gekrochen, das sie früher nie gekannt hatte.
    Jetzt, als die Herzogin kam, riß sie sich sogleich zusammen, erhob sich höflich, nicht zu schnell, bat sie zu sitzen.
    Margarete sagte: »Sie haben angedeutet, Gräfin, daß zwischen mir und Ihnen noch ein anderes sei als die Strenge der Fürstin gegen die Untertanin, die sich auflehnt und das Land schädigt. Begreifen Sie doch, daß ich gar nichts anderes sein kann als die Fürstin; denn das beleidigte Land ist in mir, meine Regungen sind die des Landes .« Sie sagte das leicht, selbstverständlich, überzeugend, mit großer Hoheit.
    Agnes hörte aufmerksam, höflich zu. Sie verstand nicht, was die andere meinte. Sie verstand nur: »Ah, sie will etwas von mir. Sie will sich aussprechen mit mir. Will sich rechtfertigen. Wie schwach muß ihre Position sein! Sie spürt, daß sie die Unterlegene ist. Sie will mich übertölpeln. Nur sich nicht einfangen lassen.
    Nein sagen. Was sie auch verspricht, nein sagen .«
    Margarete sah, daß die andere sie nicht begriff. Sie versuchte es von einer neuen Seite. Müde, ein bißchen ungeduldig, doch versöhnlich sagte sie: »Sie haben Erfolge gehabt, Gräfin. Ich gönne sie Ihnen. Freuen Sie sich weiter daran. Mein Sinn und Ehrgeiz geht ganz woandershin, suchen Sie das doch zu glauben. Ich will die Gewähr haben, daß Sie Tirol nicht weiter schaden.
    Nichts sonst. Bekennen Sie vor Zeugen und durch Ihre Unterschrift, daß Ihr Wirken meinem Land verderblich war. Schwören Sie auf das Evangelium, sich fernerhin jeder politischen Tätigkeit zu enthalten. Ich will dann das Todesurteil kassieren. Ihre Lehen fallen zurück an meine Verwaltung. Sie sind frei und verlassen mein Land .«
    Da war sie, die Schlinge. Agnes höhnte innerlich: »Nie wird sie es wagen, mich zu töten. Und für so dumm hält sie mich, daß sie sich ihre Feigheit von mir bezahlen lassen will .«
    Sie sagte: »Ein solches Dokument unterzeichnen kann ich nicht. Daß ich auf der Welt war, daß ich da war, das war wirklich meine ganze politische Tätigkeit.
    Sie können mich schwören lassen, was Sie wollen. Sie können es nicht verhindern, und ich kann es nicht, daß ein Mann, wenn er mich ansieht, nach meiner Ansicht handelt, nicht nach der Ihren .« Sie sah Margarete auf und ab, unverwandt; ihre blauen Augen glitten über sie, beredt, abschätzig, höhnisch. Verhöhnten den wüsten, äffisch sich vorwulstenden Mund, die herabhängenden Backen, das in vielen Falten fallende ungeheure Kinn, den plumpen, feisten Leib. Sie spähten sie aus, drangen durch die

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