Die haessliche Herzogin
Barone.
Margarete schwieg noch immer, schaute mit leeren, gehetzten Augen vor sich hin. Rudolf schloß: Er dringe nicht in sie. Sie habe das mit ihrem Gott und sich selbst abzumachen. Er ersuche, Vertrauen zu ihm zu haben und seine Worte ohne Voreingenommenheit zu überlegen.
Margarete sagte mit rostiger Stimme: »Es bedarf weiter keiner Überlegung. Ich habe Vertrauen zu Ihnen. Ich erkenne durchaus, wie folgerichtig Ihre Gedanken sind .«
Sie stand auf, drehte mit ruhiger, seltsam lebloser Bewegung die geschminkten Hände nach außen, ließ sie sinken. Ließ gleiten, ließ fallen. Da fiel es von ihr, Tirol, die Städte, ihr Werk, das Werk ihrer Väter, Alberts, Meinhards, des Starken, Gewalttätigen, Heinrichs, das Ihre. Nun war sie ganz arm und kahl.
Rudolf war durchaus nicht geneigt zu sentimentalen oder gar pathetischen Gesten; aber es rührte ihn tief und sonderbar an, wie die Häßliche vor ihm stand, entblößt, demütig, müde von Hoheit und Schicksal. Er ging auf ein Knie nieder, sagte, er betrachte das Land als Lehen aus ihren Händen; er werde sich bewußt bleiben, nichts zu sein als ihr Gouverneur.
Nach allen Richtungen liefen die Kuriere mit Briefen und Dekreten der Herzogin. Margarete erklärte darin, infolge besonderer Umstände und der Schwäche des weiblichen Geschlechts sei sie nicht in der Lage, ihr Land so zu verwesen, wie es sein Vorteil erfordere, und alle und sich selbst nach Gebühr zu schützen. Nach dem Rat ihrer Minister und der Repräsentanten des Volkes überantworte sie daher ihre würdigen und edeln Grafschaften zu Tirol und zu Görz, die Lande und Gegenden an der Etsch und das Inntal mit der Burg zu Tirol und mit allen andern Burgen, Klausen, Städten, Tälern, Gebirgen, Märkten, Dörfern, Weilern, Lehen, Höfen, Vogteien, Gerichten, Münzen, Mauten, Zehenten, Zöllen, Zinsen, Steuern, Gefällen, Gehölzen, Gefilden, Wäldern, Huben, Weingärten, Äckern, Seen, fließenden Wassern, Fischteichen, Wildbahnen, kurz ihr ganzes väterliches Erbe ihren lieben Vettern und nächsten Anverwandten, den Herzogen von Österreich. Und sie gebiete ernstlich und festlich, daß alle ihre Prälaten, Äbte und alle Pfaffheit, dazu die Burggrafen, Pfleger, Vögte und alle Behörden in Tirol und allerwärts in ihren Ländern, dazu die ganze Bevölkerung huldige und schwöre für jetzt und alle Zukunft den Herzogen von Österreich als ihren rechten Fürsten und Herren.
Vornächst leisteten alle widerstandslos den verlangten Eid der Treue und des Gehorsams. Am dritten Februar huldigte Bozen, am fünften Meran, am neunten Sterzing, am zehnten Innsbruck. Allein von den Feudalherren hatten sich nicht alle so klug beschieden wie der Frauenberger. Sie versuchten wenig aussichtsreichen Widerstand, zettelten mit den Wittelsbachern, mühten sich, den Norden gegen Habsburg zu revolutionieren. Als Rudolf in Hall erschien, die Huldigung der Stadt entgegenzunehmen, kam es zu offenem Aufruhr, der Herzog selbst geriet in Lebensgefahr. Aber die Bürger von Hall hielten den Söldlingen der Barone Widerpart, die Stadt Innsbruck schickte dem Habsburger Hilfe, es erwies sich, daß die Städte entschlossen waren, ihn unter allen Umständen gegen die Willkürherrschaft der einheimischen, von bayrischen Agenten unterstützten Aristokraten durchzusetzen.
Mit Stolz konnte wenige Tage später der Österreicher dem befreundeten Dogen von Venedig, Lorenzo Celsi, berichten: »Auf friedlichem Weg, ohne viel Widerstand, sind Wir in den Besitz des Landes in den Bergen gelangt, dessen Erbe vom Vater her Uns zusteht. Edle und Unedle haben Uns den Eid geleistet und anerkennen Uns als ihren Herrn. Alle Straßen und Übergänge von Deutschland nach Italien sind, dank der Gnade des Allerhöchsten, in Unserer Hand. «
Margarete besorgte mit peinlicher Gewissenhaftigkeit die umständlichen, verwickelten Geschäfte der Übergabe. Aber sie empfing nur die notwendigsten Besucher, sprach kein Wort über das Amtliche hinaus.
Unauffällig dann, mit ihrem dürren Fräulein von Rottenburg und zwei Lakaien, wollte sie das Land verlassen. Doch Rudolf gab es nicht zu, daß sie so klanglos und ohne Repräsentation davonzog. Er ordnete an, daß der scheidenden Fürstin jede nur denkbare Ehrung erwiesen werde. An den Grenzen ihrer Territorien empfingen sie die Feudalbarone, am Weichbild der Städte die geistlichen und weltlichen Behörden.
Allein die Sänfte der Herzogin blieb verschlossen, nur undeutlich zwischen den Vorhängen erkannte man sie,
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