Die haessliche Herzogin
nicht mehr so einfach und geradezu in die Welt hinausziehen und darauflosschlagen; gleich kam die Polizei. Mit Abenteuern war jetzt, in dieser farbloseren Zeit, weder Ehre noch Besitz zu holen. Es war vielleicht schöner gewesen früher, bunter, ehrlicher. Aber die Welt war verwickelter geworden. An Stelle der Burg trat die Stadt, an Stelle des kräftigen einzelnen die Organisation. Wenn der fahrende Ritter Herberge verlangte, Speis und Trank, forderte man von ihm – Gotts Marter! – Bezahlung. Nicht ihm gehörte die Zukunft, sondern dem Bürger, nicht der Waffe, sondern der Ware, dem Geld. Mochten Herren wie König Johann noch so herrlich herfahren über die Erde; was sie taten, blieb ohne Bestand. Bestand hatte das kleine, langsame, sorgfältige, rechenhafte Gewerk der Städte; sie bauten winzig, sie bauten ängstlich, aber sie bauten Zelle an Zelle, schichteten Stein um Stein, unablässig.
Margarete war überzeugt von der Richtigkeit solcher Grundsätze. Hatte sie es nicht an sich selber tief und grauenvoll erlebt? Was war Liebe? Was waren Abenteuer? Das höhlte einen aus, zerrieb, machte wund und leer. Gedanken, die sie früher schon gedacht, setzten sich tiefer, wurden wesenhaft, mischten sich ihr ins Blut. Ihre Häßlichkeit war Geschenk, der Wegweiser, mit dem Gott ihr den rechten Weg zeigte.
Rittertum, Abenteuer, das war bunter Schaum und Schein. Ihr Amt war, in die Zukunft zu bauen. Städte, Handel und Handwerk, gute Straßen, Ordnung und Gesetz. Ihr Amt waren nicht Feste und Fahrten und Liebe; ihr Amt war nüchterne, ruhvolle Politik.
Sehr kam solchen Grundsätzen das Wesen des Markgrafen entgegen. Sie erkannte genau, wußte, spürte, wie eng und pedantisch er war. Aber sie achtete seine Tüchtigkeit und Verlässigkeit, gewöhnte sich daran als an etwas Freundhaftes, schwer zu Entbehrendes. Die Gatten waren viel zusammen, aßen zusammen, schliefen zusammen. Arbeiteten zusammen. Gutes Einverständnis war von ihm zu ihr. Ihre Gedanken schmiegten sich ineinander. Margarete regte an; aber so unmerklich, daß nicht zu unterscheiden war: wer war Führer, wer geführt? Oft, im Gespräch mit Konrad von Teck, sagte der Markgraf anerkennend: »Ja, meine Frau, die Maultasche .« Bei alledem blieb Margarete im Innersten zugesperrt, ihre Umkrustung war nicht zu durchbrechen, es blieb bei einer freilich großen und ehrlichen Höflichkeit.
Im zweiten Jahr ihrer Ehe wurde Margarete schwanger. Ihr Wesen wurde gelöster dadurch, ihre volle, dunkle Stimme klang wärmer; aber jene Fremdheit und Starrheit fiel nie ganz von ihr ab. Sie blieb frei von heftigen, überschwenglichen Begierden, gleichmäßig, ohne stärkeres Gefühl. Sie sah, daß das Kind, ein Mädchen, weder schön noch häßlich war. Es hatte die harte, eckige Stirn des Vaters und, Gott sei Dank, seinen, nicht ihren Mund. Sie betreute das Kind sorglich, mütterlich, pflichtbewußt, ohne Herzlichkeit.
Der Papst zog den Arm des jungen Markgrafen Karl von Mähren-Luxemburg in den seinen, führte den Fürsten, eifrig auf ihn einredend, in dem behaglichen Zimmer auf und ab. Draußen, über der weißen Stadt Avignon, brannte helle, starke Sonne. Im päpstlichen Palast war es angenehm dämmerig, nicht zu heiß. Der sechste Klemens, dunkles, starkes, sehr repräsentatives Gesicht, die Konturen gehoben durch die bläulichen Schatten des Rasierens, hatte ein zärtliches, pflegliches Gefühl für den jungen Fürsten, seinen lieben, verständnisvollen, empfänglichen Zögling. Der hatte ihm die Tiara, er jenem die römische Kaiserkrone vorausgesagt.
Ja, und nun war es an dem. Der Wittelsbacher, der tölpische Bär, hatte zu gierig nach jeder Beute getappt.
An dem letzten, übergroßen Bissen, an Tirol, sollte er erwürgen und ersticken. Mochten die Kurfürsten, die Städte des Römischen Reichs sich noch so vorsichtig und unbehaglich gegen die Kontrolle der Kurie sperren; der üble Geruch, der von den tirolischen Händeln ausging, stank allen so in die Nase, daß sie an der Person dieses Usurpators Ludwig von Bayern doch wohl nicht festhalten konnten. Ja, jetzt kam er angekrochen, der Wittelsbacher. Demütig winselte er vor dem päpstlichen Stuhl, erkannte das lange Verzeichnis seiner Verbrechen an, bot Unterschrift und Unterwerfung.
Klemens lächelte, faßte seinen jungen Schüler fester um die Schulter. Der Bayer kam zu spät. Schon hatte er, Klemens, in feierlichem Konsistorium den großen Kirchenbann über ihn ausgesprochen, schon das Kurfürstenkollegium
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