Die haessliche Herzogin
aufgefordert, zur Wahl eines neuen Königs zu schreiten. Wenn morgen sein lieber Schüler Karl von Luxemburg an den Rhein fährt, nach Rhense, zur Wahl, kann er die Gewißheit mitnehmen: der Papst hat alles getan, durch Segen und Verdammung, seine Prophezeiung von der Kaiserkrone wahr zu machen.
Wenige Tage später gab denn auch die Majorität der Kurfürsten dem Luxemburger ihre Stimmen. Von den fünf Fürsten, die für ihn stimmten, war der erste sein Vater, der zweite sein Oheim, der dritte ein Erzbischof ohne Stift und Land, der vierte und fünfte durch viel Gold erkauft.
Karl, nachdem ihm der Vorsitzende des Kollegiums, der Erzbischof Balduin von Trier, das Ergebnis der Wahl verkündet hatte, nahm die Umarmung seines Vaters, die Glückwünsche der Kurfürsten entgegen.
Sandte einen Eilkurier an den Papst. Dann, allein, breitete der lange, hagere Mann die Arme, atmete. Erwählter Deutscher König, Römischer Kaiser bald. Er war nicht wie sein Vater, der Blinde, der Ritter. Er wird nicht glänzen, alles, wie er es an sich gerafft, verstreuen. Er wird haben, halten, besitzen. Er war aber auch nicht wie der Bayer, der Langsame, Pedantische, Bürgerliche. Burg und Stadt, das war es, Militär und Verwaltung. Nicht Territorien allein erraffen, was ist das groß? Sie beackern, sie durchkneten. Kirche, Kunst, Wissenschaft, Städtebau. Sammeln, häufen, pflegen.
Alles sammeln und pflegen: Länder, Städte, Titel, Schlösser, Gelehrte, Reliquien, Kunstdinge. War er eitel? War er habgierig? Nein, dies war wohldurchdachte, wohlerkannte Fürstenpflicht. Der hagere, sehnige Herr setzte sich an den Schreibtisch. Notierte sich Richtlinien, entwarf ein Schema, einen Kanon seiner Regierung. Disponierte wissenschaftlich Tugenden, Erfordernisse, Pläne. Teilte sie ein: Ziffer eins, zwei, drei. Arbeitete viele Stunden, tief in die Nacht hinein.
Überlas das Geschriebene. Stak in all dem nicht doch ein bißchen Eitelkeit? Er war fromm, Eitelkeit war Sünde. Er wird büßen. Er sammelte leidenschaftlich Reliquien: Dornen aus der Krone Christi, Kleider, Schädel, Arme von Heiligen. Aus Pavia hat man ihm die Überreste des heiligen Veit angeboten. Der Heilige war viel zu teuer. Er wird, zur Buße, diese Reliquien trotz der Übervorteilung erstehen.
Vor Margarete stand ein kleiner, fetter, zappeliger Mensch, war sehr unterwürfig, sprach gaumig glucksend. Nannte sich Mendel Hirsch. War Jude. War während der Verfolgungen durch die Brüder Armleder aus dem Bayrischen nach Regensburg geflohen, dort von der Bürgerschaft geschützt worden. War aus den hundertundsiebenundzwanzig Gemeinden, in denen damals die Juden erschlagen worden waren, einer der wenigen Entkommenen. Jetzt hatte er einen Schutzbrief des Kaisers, vorsichtshalber auch einen des Gegenkönigs Karl.
Die Herzogin hatte niemals einen lebendigen Juden aus der Nähe gesehen. Aufmerksam, mißtrauisch, leicht angewidert, beschaute sie den dicken Mann, der in braunem Rock und spitzem Hut vor ihr herumagierte, rasch sprudelnd, gurgelnd, possierlich zappelnd. So also schauen die aus, die Hostien schändeten, unschuldige Kinder gräßlich marterten, das von Gott verfluchte Geschlecht, das Gott gemordet hat. Sie hat oft von den fremden, unheimlichen Menschen gehört, erst unlängst, anläßlich der letzten Judenmetzeleien, mit dem Abt Johannes von Viktring eingehend darüber gesprochen. Der hatte die Verfolgungen weder gutgeheißen noch sie mißbilligt. Es erfüllte sich eben an dem geschlagenen Volk die uralte Verwünschung, die es sich mit eigenen Lippen herabgeflucht: »Sein Blut über uns und unsere Kinder !« Der Abt zuckte die Achseln, zitierte einen antiken Klassiker: »Weh Unseligem mir! Viel fürcht ich, weil viel ich verbrochen .«
Margarete fand diese Lösung ein bißchen zu einfach.
Gewiß, ein Mann, der so eine Judenverfolgung anfachte, mochte aus Eifer für die Sache Gottes handeln. Vielleicht. Sicher war, daß er viel daran verdiente. Denn gab es ein probateres Mittel, den jüdischen Gläubiger loszuwerden, als ihn totzuschlagen? Warum, wenn es nützlich und gemäß war, sie zu vertilgen, setzten sich just die weisesten geistlichen und weltlichen Herrscher für sie ein? Die Gesetze des zweiten Hohenstaufenfriedrich, die Bullen des vierten Innozenz bewiesen eine sehr andere Auffassung als die ihres wackeren Abtes. Und der jetzt regierende Klemens – er war ihr Feind, aber verflucht gescheit –, warum stellte sich der so breit und schützend mit Bullen und strengen
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