Die haessliche Herzogin
zusammengehauen, tot, aber der blinde König wußte es nicht. Endlich warf sein verwundetes Pferd ihn ab, begrub ihn. Man drang ein auf ihn, riß ihm Helm und Visier herunter, schlug ihm den Schädel ein. Da lag er still und jämmerlich im Staub, der rastloseste Mann und Fürst der Zeit, sein eleganter Bart war übel zerrauft und mit Blut verklebt, die schäbigen Ritter zerrten ihm den silbernen Panzer von der Brust, der Ring wollte nicht los von der steifen, im Staub verkrampften Hand, so hackten sie den ganzen Finger ab. Dann zog sich der Kampf weg, und die Franzosen, für die der Blinde ohne Sinn und ohne Zweck gekämpft hatte, wurden zersprengt und besiegt.
Der tote König lag allein. Krähen und Raben kreisten.
Karl von Luxemburg, der Deutsche König, hatte sich, verwundet, aus jener Schlacht gerettet. Der König von England, der immer gern und stolz betonte, wie ritterlich seine Kriegführung sei, hatte ihm die Leiche des Vaters mit ehrenvollem Geleite übersandt. Nun stand Karl vor den scheußlich verstümmelten Resten. Er hatte den Vater nie geliebt. Der alte Verschwender, der in so launischem Zickzack über die Erde gefahren war, der so toll und übermütig mit seinen Kronen gespielt hatte, statt sie zu wahren und zu festigen, hatte sein Erbe schwer gefährdet. Immerhin, es waren Rechte, Titel, Länder auf allen Seiten erworben. Er wird sich nicht verzetteln, er wird nicht überflüssig prahlerisch alles zu halten suchen; er wird zusammenstücken, runden.
Nur auf die Sache sehen, nicht auf äußeren Glanz.
Da lag nun dieser König Johann, sein Vater. Er war ein Ritter gewesen, der erste Ritter der Christenheit; er hatte groß geglänzt, nun lag er da, ein Haufe scheußlich verstümmelten, verwesenden Fleisches. Er hatte gelebt für nichts, er war gestorben für nichts. Er hatte über Kirche, Priester, Heilige gelacht und die Welt nicht unter seine Sohle gezwungen, hatte weder den Himmel erworben noch die Erde. »Schlaf in Frieden, Vater! Ich werde anders sein wie du .«
König Karl ließ das Herz ausnehmen, die Fleischteile in siedendem Wasser von den Knochen lösen. Überführte die Gebeine in das heimatliche Luxemburg, ließ sie feierlich neben tiefverehrten Reliquien beisetzen.
Dann ließ er – Aachen hatte seine Tore gesperrt – sich in Bonn als Deutscher König krönen, in Prag als Böhmischer. Kaiser Ludwig hielt jetzt, nach der Niederlage der Franzosen, die richtige Zeit für gekommen, an den Gegenkönig eine schwungvolle Protestnote zu richten.
Er forderte ihn in großen Worten auf, von seinem Gebaren abzustehen und sich ihm, dem Stärkeren, zu unterwerfen. Karl antwortete im gleichen Stil, seine Stärke bestehe nicht in Kriegsheeren, sondern in dem großen Alliierten: Gott.
Fürs erste aber sah er sich nach irdischen Alliierten um. Unterhandelte mit Ungarn, mit dem lahmen Albrecht. Karl hatte für sich Legitimität, Titel, Kirche, Religion, Sympathien, Ludwig die Macht. Ihre Länder grenzten aneinander; beide aber waren sie wägend und bedacht und verhüteten, daß hier Krieg losbrach.
Der findige, anschlägige Karl glaubte vielmehr, die schwache Stelle des Wittelsbachers ganz woanders herausgefunden zu haben: in Tirol.
Hier hatten die Bischöfe von Trient und Chur, denen Markgraf Ludwig verhaßt war, unablässig gewühlt und gezettelt. Die Feudalbarone, knirschend gegen die Brutalität und die Rechenhaftigkeit der Wittelsbacher, warteten nur darauf, die Luxemburger zurückzurufen.
Auch die großen lombardischen Stadtherren, die Carrara, Visconti, della Scala, Gonzaga, sahen die bedrohliche Nachbarschaft Kaiser Ludwigs mit tiefer Besorgnis. Der kluge, vorsichtige Tägen von Villanders vereinigte geschickt die Interessen dieser drei Oppositionsparteien. Er selber war Landeshauptmann von Tirol, der Markgraf begünstigte ihn, hielt ihn für zu gefährlich und zu einflußreich, mit ihm anzubinden. Allein der elegante Herr hatte feine Witterung; er spürte sehr gut, wie unsympathisch er dem Markgrafen war, wie der immer mehr Befugnisse seinem brutalen Freund, dem Konrad von Teck, und den anderen schwäbischen und bayrischen Herren übertrug.
Er sandte Botschaft an König Karl. Kuriere, immer dringendere. Die Truppen der Bischöfe stünden zu seiner Verfügung, die lombardischen Söldner, die Kontingente der Barone. Karl entschloß sich. Die Gelegenheit konnte nicht besser kommen. Markgraf Ludwig kämpfte hoch im Norden, in Preußen. Möge er sich Ruhm gegen die Heiden erwerben. Tirol
Weitere Kostenlose Bücher