Die haessliche Herzogin
Truppen zu.
Karl schluckte an dem unvorhergesehenen Hemmnis, preßte die Lippen, würgte. Es war unbegreiflich, daß seine wohlgerüstete Armee vor diesen Mauern scheitern sollte. Woher nahm die Frau, diese im Grunde doch lächerliche Maultasch, die Kraft? Er war tief beunruhigt, betete, erforschte sein Gewissen. In Trient hatte man ihm einen Finger des heiligen Nikolaus vorgezeigt. Er hatte die kostbare Reliquie erwerben wollen – eine Hand des Heiligen besaß er bereits –, aber man gab den Finger nicht her. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, zog kurz entschlossen sein Messer heraus, schnitt ein Glied des Fingers ab, nahm es mit sich. Vielleicht hatte das den Heiligen verdrossen, vielleicht hielt der das Glück von seinen Fahnen ab und wog es der Feindin zu. Karl schickte mit einem weitschweifigen Entschuldigungsschreiben den Knochen zurück.
Allein, es half nicht mehr, seine Reue kam zu spät.
Der Markgraf war nahe. Nahm man den Kampf erst an, so war große Gefahr, daß der Rückweg nach Italien abgeschnitten würde. Karl hob sich weg von Schloß Tirol. Trat den Rückzug nach Süden an, in verbissener Wut. Es kläffte Johann, es schäumten die italienischen Barone. Karls Straße war Raub, Brand, Verwüstung.
In Asche Meran, in Asche Bozen, überall im Etschland die Acker verwüstet, die Reben abgeschnitten, die Häuser zerstört.
Klirrend unterdes ritt der Markgraf in Schloß Tirol ein. Umarmte Margarete stürmisch, ehrlich. Nie hatte man ihn so herzlich gesehen. Sie hatte, sie allein, Tirol gerettet. »Unsere Maultasch !« sagte der Markgraf zu Konrad von Teck, ihr die Schulter klopfend. »Unsere Maultasch!«
Konrad von Teck nützte die Gelegenheit, den einheimischen Adel bis zur völligen Machtlosigkeit zu demütigen. Margarete spürte die ganze, überlegte Grausamkeit seiner Maßnahmen. Doch sie ließ ihn gewähren, hatte nie Einwände. Seitdem sie Tirol für die Wittelsbacher gerettet, fühlte sie sich ihrem Gatten herzlich und von innen her verbunden. Sie fühlte sich eins mit dem Land, ihr eigenes, leibliches Wohlbefinden verlangte, daß das Land nach wittelsbachischen Grundsätzen verwaltet werde: der Adel geduckt, Städte und Bürger gehoben. Langsam richtete sie sich auf, zusammen mit dem Land, befreit von dem Druck der Barone.
Sie saß auf ihrem Schloß Maultasch. Sie bohrte sich, wühlte sich in das Land hinein. Sie hatte nun drei Kinder, zwei Mädchen und den Knaben Meinhard. Sie besorgte sie treulich; aber sie hatte nichts mit ihnen gemein. Das Land war ihr Fleisch und Blut. Seine Flüsse, Täler, Städte, Schlösser waren Teile von ihr. Der Wind seiner Berge war ihr Atem, die Flüsse ihre Adern.
Einmal ging sie im Mittag allein spazieren, am Ufer der Passer, legte sich unter Felsen, ruhte, nickte ein.
Da weckte sie eine hohle, feine Stimme: »Grüß Gott, Frau Herzogin !« Sie fuhr auf, sah ein winziges, kleines, behaartes, bebartetes Wesen im Geklüfte stehen, sich mit raschen, zutraulichen, possierlichen Bewegungen viele Male neigen, verschwinden. Ein Zwerg! Die Zwerge waren wieder im Land! Die Zwerge, die nur kamen, wenn sie sich sicher fühlten, die nur dem wirklichen Fürsten sich zeigten, waren ihr sichtbar. Jetzt war sie in Wahrheit die Herrin des Landes in den Bergen.
*
König Karl verließ bald, nachdem er die Belagerung von Schloß Tirol aufgegeben hatte, das Land in den Bergen. Mit mancherlei Reliquien, aber sonst geringem Gewinn. Er verfehlte nicht, auf seinem Rückzug vor allem noch die Grafen von Görz gegen den Brandenburger aufzustacheln; auch verlieh er, dem Beispiel seines Vaters folgend, an Fürsten und Herren viele tirolische Städte und Gerichte, die er nicht besaß, so dem Wittelsbacher immer neue Feinde aufwühlend.
Nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er für die Mißerfolge in Tirol bald reichlich entschädigt durch eine unerwartete Wendung im Kampf um das Reich.
Ganz plötzlich, auf einer Bärenhatz, in der Nähe seiner Hauptstadt München, starb Kaiser Ludwig, der Wittelsbacher. Ein Schlaganfall warf den vollblütigen Mann vom Pferd, eine alte Bäuerin drückte ihm die riesigen, treuherzigen, blauen Augen zu, Mönche führten die Leiche heimlich fort, sie trotz Bann und Interdikt geweiht und heilig zu bestatten.
Da stand nun Karl von Böhmen, und sein Feind, der die weiten Länder unter sich hatte und dem die Städte anhingen, war tot. Die Heiligen hatten geholfen. Er, Karl, stand jetzt, da das Jahrhundert sich scheitelte, als unbestrittener
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