Die haessliche Herzogin
jedenfalls hatte weder Truppen noch seinen Herrn.
Es kam über Karl etwas von dem abenteuerlichen Geist seines Vaters. Heimlich brach er auf, von drei Vertrauten begleitet, alle vermummt, als Kaufleute reisend mit lombardischen Pässen. Reiste im schärfsten Frost, auf verschneiten Bergpfaden. Stand unerwartet in Trient. Feierliches Hochamt im Dom. Karl in kaiserlichem Ornat. Die Insignien freilich, Reichsapfel, Zepter, Schwert, leider nur Ersatz; die echten hielt der Wittelsbacher in strenger Hut. Glocken, Weihrauch.
»Gloria in excelsis«, sang mit seiner fanatischen Stimme der finstere Bischof Nikolaus, sangen die Knaben.
Karl hielt Parade ab: die Truppen des Bischofs Nikolaus, der italienischen Städte, des Bischofs von Chur, des Patriarchen von Aquileja, zahlreicher südtirolischer Barone, seines Bruders Johann, des rachgierigen.
Mächtig brach er auf, nahm Bozen, nahm Meran. Lagerte dick und gewaltig vor Schloß Tirol.
Hier war Margarete allein auf sich angewiesen. Der Markgraf und Konrad von Teck waren fern in Preußen, der Landeshauptmann Tägen von Villanders ließ sich nicht auffinden. Die Unterführer zögerten, verwiesen, fragte man sie: Ist die Burg zu halten ?, auf Gott, wälzten alle Entscheidung stets wieder auf Margarete zurück. Immer dichter und enger schloß sich der Kreis der Belagerer.
Margarete ging herum in grimmiger Ruhe. Ihr Gatte Johann, der kleine, tückische Wolf, war vor dem versperrten Tor gestanden, und sie hatte ihn nicht hereingelassen. Jetzt kam er mit Gewappneten und Geschwadern und allem Pomp des Kriegs, sich den Eingang zu erzwingen. Sie hatte aus ihrer Vernichtung die Trümmer leidlich wieder zusammengestückt, hatte sich eine Ehe aufgebaut, hatte ihr Land und ihr Leben einigermaßen wieder in Ordnung und Fug gebracht. Es war nichts Großes, Schönes, Leuchtendes. Es war ein armseliges, mitgenommenes Stück Leben, Flickwerk hier, hier Ersatz, dort Lücke und Verzicht. Aber es war wohlerworben, war gerettet aus Schlamm und Nichts, war umzäunter, gesicherter Besitz. Und nun kamen jene Erbärmlichen ein zweites Mal und wollten es ihr entreißen! Oh, sie wird es dem geduckten, hintertückischen Karl zeigen und dem Johann, dem boshaften, lauersamen Wolf.
Sie wußte, es kam darauf an, die ersten Tage auszuhalten. Sie hatte nicht viele, aber zuverlässige Truppen.
Organisierte selber den Widerstand. Sie war nicht feig, trug – alle sahen das – keinen Augenblick Bedenken, sich zu exponieren. Ihr Wille, ihre hinreißende, umsichtige Energie ging über auf die Besatzung. Die ersten Stürme wurden sachlich und ohne große Opfer abgeschlagen; unter den Truppen des Schlosses herrschte eine gewisse grimmige Scherzhaftigkeit; die Markgräfin wurde vertraulich verehrt und bewundert. »Unsere Maultasch !« sagten die Soldaten.
Ein Bayer war unter ihren Offizieren, ein junger, häßlicher Mensch, ein Albino, Konrad von Frauenberg. Die andern mieden ihn wegen seines abstoßenden, frechen, mürrischen Geweses. Margarete fiel er gerade dadurch auf. Sie übertrug ihm das Kommando der Verteidigung, verstand sich gut mit ihm. Fand ihn kurz und energisch von Wort und Sitte, wo die andern nichts sahen als mürrische Anmaßung. Er wiederum rühmte mit dreister, karger, quäkender Anerkennung ihre Tatkraft, ihre Anordnungen.
Die Belagerer wurden von Tag zu Tag verdrossener.
Es war klar: das Land konnte nur im Flug genommen werden oder gar nicht. Jetzt lag man da, vor unerwartetem Hemmnis, belagerte eine Frau, die häßliche, verachtete Herzogin, die Maultasch, kam nicht vorwärts.
Unflätig schimpfte, fluchte Johann. Herr von Schenna hatte das Gerücht verbreitet, die Luxemburger wollten Tirol nur, um es an die Visconti zu verschachern, an die Mailänder; sie hätten bereits heimlichen Vertrag gemacht. Die tirolischen Hilfstruppen faßten Mißtrauen, murrten auf, hielten keine Zucht mehr, verliefen sich. Der kluge, vorsichtige Tägen von Villanders zog sich von den Luxemburgern zurück, wurde unauffindbar auch für sie. Schon stand der Markgraf, in Eilmärschen von Norden kommend, in Bayern, wo der Kaiser ihn mit vielen Regimentern verstärkte. Als er in Innsbruck eintraf, war plötzlich Herr von Villanders in seinem Lager, sagte, ja, er habe mit dem Gedanken gespielt, zu König Karl überzugehen, habe sich aber jetzt reuig eines Besseren besonnen, ehe noch ein entscheidender Schritt geschehen. Bat um Verzeihung, führte dem Markgrafen, dem hart und steif blickenden Konrad von Teck seine
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