Die haessliche Herzogin
Deutscher König ohne Nebenbuhler.
Er war des Streites mit den Wittelsbachern müde, sie des Streites mit ihm. Der lahme Albrecht vermittelte. Karl verzichtete gleichwie sein Bruder Johann auf Tirol und Kärnten, belehnte den Markgrafen mit diesen Ländern, versprach, die Kurie mit ihm auszusöhnen. Die Wittelsbacher dagegen erkannten ihn als Deutschen König an, leisteten ihm Huldigung, lieferten ihm die Reichskleinode aus.
Die Reichskleinode! Karl hatte sich schmerzhaft danach gesehnt. Er besaß so viele teure Reliquien, nicht diese kostbarsten Zeichen der Macht, die ihm gehörte.
Er hatte sich und seine Würde nackt und bloß gefühlt, solange er sie nicht besaß und sich mit nachgemachtem Zeug begnügen mußte. Jetzt führte er die süßen, werten Dinge in feierlichem Zug nach Prag in seine Schatzkammer. Die heilige Lanze war darunter, auch ein Nagel von der Kreuzigung sowie ein Arm der heiligen Anna. Vor allem aber das altertümliche Zepter, der Reichsapfel von hellem, blassem Gold, die zackige Krone, das Schwert, das Karl dem Großen durch einen Engel gegen die Heiden geschickt worden war. Im Dom von Prag ließ der König die Kleinode weihen.
Dann brachte er sie selbst in das Schatzgewölbe. Da lagen sie nun unter den bleichen Knochen der Märtyrer, unter Juwelen, unter kostbaren Büchern und Bildern, unter Akten und Verträgen, unter heiligen Spießen, Dornen von Christi Krone, Splittern von Christi Kreuz. Der hagere König stand davor, lächelte mit schmalen Lippen, streichelte mit der mageren, knochigen, bräunlichen Hand die Zinken der Krone, die merkwürdigen Kanten des unregelmäßigen, keineswegs runden Reichsapfels, das stumpfe, rostige Schwert des großen Karl, des ersten seines Namens.
Agnes von Taufers-Flavon kam selten auf ihre tirolischen Güter. Auch ihre jüngere Schwester hatte sich mittlerweile vermählt, mit einem Herrn von Castelbarco, der politisch sehr zweideutig war, zwischen dem Bischof von Trient, gewissen italienischen Stadtherren und dem tirolischen Hof hin und her pendelte, im übrigen außerordentlich reiche Pflegen und Privilegien besaß. Agnes reiste viel, lebte häufig bei ihrer älteren Schwester in Bayern, bei ihrer jüngeren in Italien. Man hatte sie nach der Austreibung Herzog Johanns nicht weiter behelligt; in allen Fragen, die zwischen ihr und der markgräflichen Verwaltung strittig sein konnten, gaben auf ihre kluge Weisung ihre Amtsleute nach, ehe es zu Streitigkeiten kam. Sie ging zu Hofe nicht öfter, als es der Anstand erforderte, vermied es peinlich, aufdringlich zu erscheinen.
Sie war jetzt von erregender, bewußter, fast beängstigender Schönheit. In Italien legte man ihr Städte und Fürstentümer zu Füßen, schlug sich tot für sie. Selbst die plumpen Bayern schnalzten mit der Zunge, klatschten sich die Schenkel, erklärten: ah, da lege man sich nieder, begingen Dummheiten für sie. Sie schritt liebenswürdig mit kleinem, vieldeutigem Lächeln durch die Huldigungen, Kämpfe, Selbstmorde.
Erschien sie selten am tirolischen Hof, so zeigte sie, wo immer sie war, das brennendste Interesse für die tirolischen Dinge. Gierig hörte sie, mit halbgeöffneten Lippen, von Margaretes Tätigkeit. Ihre Maßnahmen gegen den Adel, für die Städte, für die Juden, ihre Verteidigung gegen die Luxemburger, jeden kleinsten Zug aus Margaretes Leben ließ sie sich berichten, wieder und wieder erzählen. Niemals indes griff sie mit einen Wort oder gar mit einer Tat ein. Forderte man ein Urteil von ihr, so bog sie aus, sagte Belangloses, lächelte.
Sehr gern zeigte sie sich dem Volk. Sie war hochmütig, sie erwiderte keinen Gruß. Niemals stiftete sie Geld für die wohltätigen Anstalten der Dörfer und Städte; auch die Bauern ihrer Güter wurden schlecht behandelt. Dennoch sah das Volk sie gern. Man stand an ihrer Straße, wenn sie kam, bewunderte sie, schrie »Hoch !« , liebte sie.
Häufig erhielt sie den Besuch des Messer Artese aus Florenz. Agnes lebte sehr verschwenderisch, sie brauchte immer von neuem die Hilfe des unscheinbaren, oft sich neigenden Florentiner Bankiers, der Pfandrecht bereits auf alle Güter hatte. Messer Artese erzählte ihr viel vom Tiroler Hof. Er war gar nicht gut auf den Markgrafen und die Maultasche zu sprechen.
Wohl war Ludwig immer in finanziellen Nöten; denn seine Kriege verschlangen gewaltige Summen. Aber er lieh sich von seinen bayrischen und schwäbischen Herren, vermied ängstlich die Hilfe des guten, dienstbereiten Messer Artese; ja,
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