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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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beim Aufräumen.«
    So kam es, daß in meinem kargen Zimmer ein Stück uraltes Porzellan mit eingeschnittener Drachenzeichnung unter der Glasur (aus der Sung-Dynastie) zu finden war. Meine Mutter beachtete dieses unbezahlbare Unikat nicht, denn es war so edel, fein und zurückhaltend, daß ein ungeübtes Auge es übersah.
    Es war ganz einfach gewesen, die Schale zu stehlen. Der Museumsdirektor war ein Freund von Coras Vater. Als am Schluß nur noch die Crème de la crème der handverlesenen Gäste anwesend war, schloß er die Vitrinen auf und nahm eigenhändig einige reizvolle Gegenstände heraus, um das interessierte Publikum auf Details aufmerksam zu machen.
    Etwa zehn Gäste standen noch um Direktor und Professor herum, als wir begannen, die leeren Sektgläser einzusammeln. Cora deckte mich, als ich die Schale aus der Vitrine nahm. Wir stellten vier Gläser darauf, und Cora trug dieses Miniaturtablett an allen Anwesenden offen vorbei in den Nebenraum, wo ein Spülbecken stand und Flaschen lagerten. Für das Innere meines Elefantencapes hatte ich schon vor einiger Zeit einen abknöpfbaren Beutel genäht, der mühelos meine Fischzüge aufnahm. Wir sammelten die übrigen Gläser ein, spülten im Nebenraum und verabschiedeten uns. Coras Vater winkte uns geistesabwesend zu. »Jeunesse dorée«, sagte der Museumsdirektor. Der Professor hatte uns ein gutes Taschengeld fürs Bedienen bezahlt, denn er glaubte, daß uns die Ausstellung nicht die Bohne interessiere.
    Cora berichtete später, daß das Fehlen der Schale erst zwei Tage später von einem Assistenten entdeckt worden war. Es entstand grenzenlose Aufregung. Polizei und Versicherungsspezialisten nahmen diskret ihre Nachforschungen auf, denn in Anbetracht der illustren Gäste sollte nichts über den Vorfall in der Presse erscheinen. Anhand der Einladungsliste wurde ermittelt. Cora und mich hatte man aber vergessen. Schließlich fiel der Verdacht auf den chinesischen Kulturattache, auf dessen undurchsichtigen Zügen man einen Schauder gesehen haben wollte, als er hörte, daß alle die chinesischen Schätze aus Londoner und Berliner Museen stammten. Ein Profi mußte zugelangt haben, denn es handelte sich bei der Seladonschale um ein besonders altes und erlesenes Stück, das aber für den Laien eher unscheinbar wirkte.
    »Du hast einen guten Geschmack«, sagte meine Freundin, »ich hätte vermutlich die Ochsenblutvase genommen. Aber das ist bloß Theorie, denn ich kann solches Zeug nicht gut auf meine Fensterbank stellen so wie du.«
    Schließlich zahlte die Versicherung eine stattliche Summe an das Victoria-und-Albert-Museum. Die Frau des chinesischen Diplomaten war zwei Tage nach meiner Tat nach Peking geflogen, und man sah diese Reise als Beweis für die Schuld des Chinesen an.
    Aber die seladongrüne Schale sollte mir noch Unglück bringen.
     
    Es begann alles an Carlos zwanzigstem Geburtstag, der auf einen Samstag fiel. Mutter hatte an diesem Wochenende Dienst im Altersheim. Ursprünglich wollte sie mit einer Kollegin tauschen, um am Geburtstag ihres Lieblings frei zu haben. Carlo protestierte. Er sei kein Kleinkind mehr, für das die Mama Kuchen backe; es reiche, wenn man abends ein Gläschen Wein zusammen trinke.
    Mutter ging also arbeiten, und Carlo plante, ihre Abwesenheit für ein kleines Fest zu nützen. Notgedrungen, wie ich damals dachte, weihte er mich in seinen Plan ein. Er wollte für einige Freunde kochen, ich sollte Cornelia einladen. Erst viel später ging mir auf, daß er alles ihretwegen inszenierte.
    Vormittags schickte er mich einkaufen, er gab mir eine Liste und Geld. Das neue Spiel, daß er nett zu mir war, gefiel mir kurzfristig, und ich ging folgsam aus dem Haus, kaufte spanischen Rotwein, Weißbrot und Käse, Weintrauben und Lachsersatz von seinem Geld, stahl Gänseleberpastete, Kaviar und Champagner aus eigener Initiative dazu. Das war allerdings ein grober Fehler, zu dem ich mich aus Enthusiasmus und Gewohnheit hinreißen ließ. Schon an der Haustür war mir klar, daß ich die Delikatessen nicht vor seinen Augen auspacken durfte. Später konnte man sagen, Cornelia habe sie den elterlichen Vorräten entnommen.
    Aber als ich die Tür aufmachte, winkte mich Carlo mit geheimnisvoller Miene in die Küche, ohne meine Einkäufe zu beachten. Er deutete auf einen Stuhl. Ich setzte mich erwartungsvoll. Carlo zog einen Umschlag aus der Tasche und überreichte ihn mir wichtigtuerisch. Blöder Affe, dachte ich, war aber natürlich neugierig, von wem

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