Die Haie vom Lotus-Garten
herausgeschwankt. Wir dachten, es wäre
eine Einfahrt.“
„Als ich zu mir kam“, erwiderte
der Opa, „saß ich dort bei der Hecke auf dem Boden. Uuuuuuuh, ist mir übel! Es
kommt so bitter hoch aus dem Magen.“
„Hauchen Sie mich mal an“,
verlangte Tim. Und verzog im nächsten Moment das Gesicht. „Das riecht ungut,
mein Herr. Medikamentös.“
„Ich nehme keine Medikamente.
Ich vertraue auf kalte Duschen und frische Luft.“
„Das ist auch besser und
entlastet die Krankenkassen. Ich glaube, man hat Ihnen was eingeflößt.
Heimlich, natürlich. Denn Sie wurden von einem Kastenwagen hergebracht. Der hat
hier geparkt, und man hat sie sicherlich durch die Hecktür rausgesetzt. War der
junge Mann von dem Pärchen groß und schmal?“
„Ja, groß und schmal. Sie ist
pummelig und hat einen feuerroten Krauskopf.“
„Haben Sie Ihre Brieftasche
noch?“
Der Opa sah nach — auch nach
dem Inhalt, stellte sich dabei vor — er hieß Friedrich Sittersdorf — und konnte
frohgemut registrieren, daß ihm nichts fehlte: weder in Brieftasche noch
Portemonnaie.
„Daraus werde ich nicht klug“,
meinte Tim. „Es scheint doch, daß Ihnen der Spargeltyp und die Pummelige ein
K.o.-Mittel in den Glühwein gekippt haben. Vermutlich wurden Sie dann, als Sie
umsackten, weggeschleppt von den beiden — unter dem Vorwand tätiger
Hilfsbereitschaft. Abseits der Augenzeugen wird dann das Opfer — in diesem
Falle Sie — ausgeplündert. Und irgendwo abgelegt. Aber Ihnen fehlt nichts,
sagen Sie. Was haben Sie denn bei sich?“
„Eine ganze Menge. Fast 1000
Mark, vier Kreditkarten, fünf Schecks samt zugehöriger Scheckkarte, meinen
Blutspender-Ausweis, meinen Unfallpaß, den Organspender-Ausweis, die
Hausschlüssel, den Siegelring, meine goldene Uhr und einen Zahnstocher,
ebenfalls in Gold.“
„Stark!“ meinte Klößchen.
„Fehlt nur noch die Geburtsurkunde.“
Sittersdorf lachte. Sein Sinn
für Humor hatte das bittere K.o.-Mittel überwunden.
Tim war was eingefallen,
nämlich ein Gespräch, das er kürzlich mit Gabys Vater geführt hatte — über
mysteriöse Vorgänge hier in der Stadt, Vorgänge, die bei der Kripo unter dem
Stichwort ,K.o.-Tropfen-Bande’ aufmerksam verfolgt wurden; allerdings hatte man
noch keinerlei Resultate. Demzufolge trieben Unbekannte ihr Unwesen, indem sie
in Kneipen, Bars und Cafés ihre Opfer keilten, wobei sie ihnen ein
black-out-Mittel ins Getränk schütteten, heimlich. Die Opfer wurden dann abgeschleppt
und irgendwo ausgesetzt, aber nicht ausgeraubt. Beschreibungen der Täter lagen
nicht vor. Nur soviel stand fest: Immer waren ein junger Mann und eine junge
Frau daran beteiligt.
Tim sagte, was er wußte. Aber
das half dem Herrn Sittersdorf nicht. Immerhin war er bereit, sich morgen ins
Polizeipräsidium zu begeben — zu Kommissar Glockner.
„Es geht um die
Personenbeschreibung“, sagte Tim. „Die ist wichtig. Versuchen Sie sich zu
erinnern, wie die beiden aussehen. Und dann nicht vergessen! Jedenfalls nicht bis
morgen!“
Sittersdorf nickte. „Die junge
Frau hatte Sommersprossen und helle Haut. Außerdem sagte sie, es wäre sehr
gemütlich an der Glühweinbude, aber nicht so gemütlich wie im Café Leychtsünn.“
„Wo?“
„Das ist ein Tortentempel in
der Maulbrandt-Straße“, sagte Klößchen. „Extrem starke Schokotorte machen die
dort.“
Gaby konnte das bestätigen.
Aber Tim bohrte nicht nach. Er hielt den Tortentempel für nicht weiter wichtig.
Sie nahmen Sittersdorf ein
Stück mit. Ein leeres Taxi wurde gefunden. Die Kids setzten den Opa hinein, und
er ließ sich nach Hause fahren, wo — wie er sagte — seine junge Frau — sie sei
22 Jahre jünger als er — auf ihn warte. Damit hatte er auch die Erklärung
geliefert für sein Outfit.
Sicherlich nimmt er auch
Nachhilfe, dachte Tim, im Disco-Tanz.
Zurück in der Boraner Straße,
erwischten sie den Modeschmuckhändler Polluk in letzter Sekunde. Er hatte
alles, was wertvoll war, in seinen BMW eingeladen. Denn die Türen zu Haus und
Büro waren ja nicht mehr abschließbar.
„Die Polizei war hier“, erklärte
er und schlug den Deckel des Kofferraums zu.
„Und?“ fragte Tim.
„Sie haben ein Protokoll
aufgenommen.“
„Hat sich Ihre Freundin
gemeldet?“
„Leider nicht. Ich habe immer
wieder bei ihren Eltern angerufen. Aber dort hebt niemand ab. Ich glaube, Beate
sagte auch, ihre Eltern seien bei einer Vorweihnachtsfeier des Vereins der
Zündholzsammler. Und da wird’s immer
Weitere Kostenlose Bücher