Die Haie vom Lotus-Garten
spät.“
„Zündholzsammler?“ erkundigte
sich Tim mit hochgeschobenen Brauen.
„Tja, das ist auch so eine
Spielart der Sammelleidenschaft. Zündholzbriefchen gibt es in unzähligen
Ausführungen. Nämlich mit den unterschiedlichsten Aufdrucken und Designs. Immer
als Werbung. Immer als Reklame. Jedes bessere Hotel hat seine Zündhölzer mit
hauseigenem Signet, fast jede Boutique, jede größere Firma, Fluggesellschaften
und Bahn. Ich warte darauf, daß demnächst auch die Kindergärten damit
anfangen.“
„Dort ist Rauchen verboten“,
sagte Klößchen.
Polluk grinste. „Aber was mal
ein kleiner Brandstifter werden will, der zündelt beizeiten.“
Idiot! dachte Tim, ließ es aber
unausgesprochen. Denn Polluk sollte ja noch behilflich sein bei einer Frage.
„Möglicherweise“, erklärte Tim,
„haben wir Beate Kottke gesehen. Jedenfalls war’s eine junge blonde Frau mit
Dackel. Sie stieg — vermutlich freiwillig — in einen Kastenwagen, der seine
Zeit von Saft und Blüte schon lange hinter sich hat. Eine alte Rostlaube ist
es. Der Motor röchelt. Ein junger hochwüchsiger Schmächtling stieg auch ein.
Und vielleicht saß eine junge pummelige Sommersprossenträgerin am Lenkrad —
eine mit feuerrotem Kraushaar. Sagt Ihnen das irgendwas?“
Polluk dachte lange nach und
verneinte dann. „Nööö.“
„Wir bleiben am Ball“, erklärte
Tim. „Wir werden immer wieder bei den Kottkes anrufen. Im übrigen hat Kommissar
Glockner alles Einschlägige veranlaßt. Die Fahndung nach Bruno Zapp ist auf
Touren gekommen. Jeder Polizist im Streifenwagen sucht. Desgleichen nach Ihrer
Freundin.“
„Das beruhigt mich sehr“, sagte
Polluk und gähnte.
14. Der Drogenschmuggel, mit
dem alles begann
Die Stoßdämpfer des
Kastenwagens waren im Eimer. Beate spürte jede Unebenheit der Straße wie einen
Tritt in die Sitzfläche. Gotti und Michi waren daran gewöhnt. Ihnen schien es
nichts auszumachen. Jedenfalls starrten sie mit verlegenheitsstarren Gesichtern
durch die beschlagene Windschutzscheibe in den ungemütlichen Abend.
Michi fuhr. Und gab sich dabei
soviel Mühe, daß sie sich fast auf die Zunge biß.
Gotti schluckte, als müsse
Unzerkautes durch den Schlund, und ließ seinen Adamsapfel am mageren Hals
hüpfen.
„Ich frage euch nochmal“, sagte
Beate mit hysterischer Stimme. „Was hat das zu bedeuten? Was habt ihr mit dem
alten Mann gemacht? Erfriert der jetzt? Wird er umkommen? Schlimm genug, daß
mir die ganze Unterwelt auf den Fersen ist. Ja, ich bin gejagt, verfolgt,
gehetzt. Denn den Typen, der da eben auf uns losrannte — den habe ich erkannt.
Das war der große Dunkle aus dem Parkhaus. Der, der den andern verfolgt hat.
Aber davon wißt ihr ja nichts. Und es geht euch nichts an. Doch ich will die
Wahrheit hören! Also?“
„Der... alte Mann stirbt
nicht“, sagte Traugott Brigg, genannt Gotti. „Nicht jetzt, meine ich. Erst wenn
seine Zeit gekommen ist. Und gesund wie der aussieht, macht er sicherlich noch
15 Jahre. Vielleicht sogar 20. Er sagte, er trinkt auch nur wenig Alkohol. Ein
Glas Glühwein — das zählt ja nicht.“
„Ist er betrunken? Warum habt
ihr ihn dann nicht nach Hause gebracht?“
In diesem Moment sonderte
Michaela von Kante, genannt Michi, ein Schluchzen ab, das wie ein Fanfarenstoß
aus tiefster gepeinigter Seele klang.
„Gotti, ich kann nicht mehr“,
schluchzte sie. „Ich sag’s.“
„Nein!“ schrie er.
„Doch!“
„Nein!“
„Ich muß. Meine seelische Kraft
ist am Ende.“
„Michi, reiß dich zusammen!“
„Ich höre auf. Egal, was
geschieht.“
„Michi, die bringen uns um.“
„Ist mir doch egal.“
„Paß auf, die Kurve!“
„Ach, diese blöde Straße! Wieso
ist hier eine Kurve?“ Entgeistert hatte Beate den beiden zugehört. Von rechts
und von links hatte man ihr in die Ohren gedröhnt, denn sie saß eingeklemmt
zwischen dem Pärchen.
Über Michis Gesicht kullerten
dicke Tränen. Die Augen schwammen. Das — zusammen mit der beschlagenen
Windschutzscheibe, deren dicke Feuchtschicht über das defekte Gebläse gesiegt
hatte — machte Michi fast blind.
Ein Laternenpfahl kam drohend
entgegen.
Beate ließ Küßchen los, der
sich auf ihrem Schoß zusammengerollt hatte, und fiel der Chauffeuse mit beiden
Händen ins Lenkrad.
Um Haaresbreite schlitterten
sie an der Laterne vorbei. Gotti öffnete wieder die Augen und nahm die Hände
von den Ohren.
„Du hältst den Mund!“ befahl
er.
„Nein!“ sagte Beate. „Du hast
Michi nichts zu
Weitere Kostenlose Bücher