Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
Kellnern abgeräumt, weil die Leute weggingen. Irgendwann nickte einer der Musiker den anderen zu, sie packten ihre Instrumente zusammen und verließen die Bühne. Brutus rief ein weiteres Mal nach Wein, der ihm widerwillig serviert wurde.
Hans nahm das Gespräch wieder auf. „Wir sind gezwungen, die Nacht hier zu verbringen. Wir haben nirgends Quartier gefunden, weil alle Häuser voll belegt sind. Auf dem Boot unseres Kameraden Jonathan würde es eng werden, wenn wir alle dort schlafen müssten. Hat es Sinn, Euch um Quartier zu bitten?“
Der Schwarzgewandete ließ erneut den Blick nachdenklich auf seinem Gesprächspartner ruhen. „Ihr würdet tatsächlich mein Haus betreten?“
„Macht das noch etwas aus, wo wir doch mit Euch am Tisch sitzen? Wenn wir hier einen guten Ruf zu verlieren haben, so ist der doch schon längst dahin, oder?“ Nun war es Hans, der spöttisch lächelte.
Brutus nickte. „Stimmt! Aber ich könnte Euch unangenehm sein. Man fürchtet mich. Nun gut! Wer will, kann bei mir übernachten. Ich habe Platz genug, und willkommen ist jeder.“ Damit stand er auf und winkte seinen Hunden, die sich sofort erhoben und um ihn scharten. Er schlenderte davon und Hans schloss sich ihm an. Die Gefährten folgten in zwei Metern Abstand. Während Hans und Brutus sich unterhielten, tuschelten sie untereinander, ob sie die Einladung des Henkers annehmen sollten oder nicht.
„Salvatore, ich mag den Mann nicht“, sagte Pietrino. „Ich will nicht in sein Haus. Und ich mag auch seine Hunde nicht. Sie sind so schlecht und böse wie ihr Herr!“
Salvatores Gesichtausdruck war gequält. „Ja, ich verstehe dich, mein kleiner Freund. Mir geht es genau so.“
„War der Kaufmann, der angegriffen worden ist, tatsächlich Euer Onkel?“, fragte Hans, während sie durch die langsam in Dunkelheit fallenden Straßen und Gassen der Oberstadt gingen.
„Ja, das war tatsächlich der Bruder meiner Mutter“, antwortete Brutus melancholisch. „Sie hat ihn mir aus der Ferne gezeigt, wie auch ihre Eltern und anderen Geschwister. Auch das Haus, in dem sie aufgewachsen war. Sie war so schön, und sie starb so jung.“
„Starb sie an einer Krankheit?“, fragte Hans weiter.
Brutus lachte traurig auf. „Wenn es eine Krankheit war, dann war es die des gebrochenen Herzens. Der Mann, den sie geliebt hatte, war tot, ihre Familie hatte sie verstoßen, und sie war auf die Barmherzigkeit eines Mannes angewiesen, den auch sie vielleicht verachtete, oder zumindest verachtet hatte, bevor er sie aufnahm. Und sie liebte ihn nie. Sie war ihm höchstens dankbar.“
Sie schritten zum Tor hinaus und versuchten, die schmutzigen Wege Unterstadts hinter sich zu bringen, ohne bis zu den Knöcheln im Schlamm zu versinken. Brutus versprach, die Tür seines Hauses offen zu lassen, während die Gefährten zur Unterseegaleere gingen, um das für die Nacht notwendige Gepäck zu holen.
Die Leute aus Unterstadt verschwanden in ihren armseligen Hütten. Sie beachteten weder den Henker und seine Hunde, noch schenkten sie den Jungen und Männern einen Blick, die zum an der Mole vertäuten Boot gingen. Immerhin hatten sie am Tisch des Scharfrichters gesessen, und wer das nicht bemerkt hatte, der hatte sie in Begleitung des Schwarzgewandeten Oberstadt verlassen sehen. Also war es besser, auch diese Leute nicht wahrzunehmen.
An Bord der Galeere gab es eine kurze Diskussion, ob der Gastfreundschaft des Henkers zu trauen war oder nicht. Hans vertrat die Ansicht, dass sie vermutlich nirgends in LaGranata sicherer übernachten würden. Nach kurzem Überlegen stimmten die Gefährten bis auf Pietrino, der keinesfalls im Haus des Henkers übernachten und lieber auf der Galeere bleiben wollte, diesem Gedanken zu. Salvatore versprach Jonathan, auf Pietrino und das Boot gleichzeitig aufzupassen. Der Seemann wollte mit Hans, Mike und Lars an Land gehen. Von Bord der Galeere holten sie nur das Nötigste, allerdings nahm Hans auch das in Einzelteile zerlegte Tor mit. Die drei von der Erde durften nicht riskieren, dass ihnen das Tor abhandenkam, denn dann waren ihre Chancen auf Rückkehr in die Heimat gleich Null.
„Sehr her!“, sagte Jonathan zu den beiden, die es vorzogen, auf dem Boot zu bleiben. „Ihr könnt das Schott im Aufbau im Heck von innen verriegeln. Dann seid ihr sicher. Bis Morgen dann!“
Der Seemann prüfte noch, ob Salvatore die Kajütentür richtig verriegelt hatte, dann schloss er sich Hans, Lars und Mike an. Er beäugte interessiert den
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