Die Hand im Moor (German Edition)
"Ich..." Sie bemerkte, wie Dominiks Helfer erstarrten. Peter Reichle, der in der Nähe beschäftigt gewesen war, rannte über die Planke und schaute entgeistert in eines der Löcher, die für die Stangen in den Boden getrieben worden waren. "Da muß etwas passiert sein", meinte sie.
"Warten Sie hier", befahl Dominik und eilte zu seinen Leuten.
Christina beobachtete, wie der Forscher ebenfalls in das Loch blickte. Seine ganze Haltung schien sich zu verkrampfen. Er sagte etwas zu Marco Wegner. Der junge Mann reichte ihm eine Scha ufel. Vorsichtig trug Dominik Schicht für Schicht das Moor um das Loch herum ab. Eine entsetzliche Angst griff nach ihr. Wie in Trance ging sie zur Ausgrabungsstätte.
Weder Dominik noch seine Helfer bemerkten die junge Frau. Bestürzt sahen sie einander an. "Wir müssen die Polizei verständ igen, Nick", meinte Werner Klenk. "Womöglich handelt es sich um Mord. Wer weiß, wie lange der Tote schon hier liegt."
Christina drängte den Mann beiseite. Sie starrte auf das von vermoderten Stoff umhüllte Bein, das Dominik freigelegt hatte. Dem dazugehörigen Schuh hatten Kälte und Nässe nicht soviel anhaben können. Deutlich war noch sein zu einem Wappen g eformtes Muster zu erkennen. Jürgen Wahl hatte diese Schuhe erst kurz vor seinem plötzlichen Verschwinden gekauft. Wie hatten sie über das Wappen gelacht. "Mit diesen Schuhen müßte ich dir doch eigentlich ebenbürtig sein", hatte er vergnügt gescherzt.
"Jürgen", flüsterte sie entsetzt. "Jürgen! Ich wußte es." Die Planke, auf der sie stand, schien plötzlich zu schwanken. Halts uchend griff die junge Frau nach Dominiks Arm, dann wurde es dunkel um sie. Bewußtlos brach sie zusammen.
* * *
Christina schlug die Augen auf. Auf ihrem Nachttisch brannte die Lampe. Draußen dunkelte es bereits. Sie konnte sich erinnern, daß Dr. Winter, der alte Hausarzt der Familie, bei ihr gewesen war und ihr ein Beruhigungsmittel gespritzt hatte. Danach mußte sie eingeschlafen sein. Es schien Stunden her zu sein.
Die junge Frau blickte zur Uhr. Es war kurz vor sieben. Sie griff nach dem Wasserglas, das auf ihrem Nachttisch stand. Du rstig trank sie es halb leer.
Jürgen war tot, daran gab es für sie jetzt keinen Zweifel mehr. Es war sein Schuh gewesen, den der Tote trug. Sie hatte gefühlt, daß Jürgen nicht mehr lebte, aber die anderen hatten versucht, es ihr auszureden. Warum hätte Jürgen ins Ausland gehen sollen, ohne ihr ein Wort zu sagen? Es war verrückt gewesen, es letz tendlich doch zu glauben.
Schwerfällig richtete sich Christina auf. Sie ging zur Kommode und zog die unterste Schublade heraus. Ihre Hände zitterten, als sie nach dem Rosenholzkästchen griff, in dem sie alles aufb ewahrte, was sie an Jürgen erinnerte. Sie trug das Kästchen zum Bett und setzte sich.
Ihre Finger berührten die Kette mit dem kleinen Schlüssel. Sie hätte sich die Kette gerne wieder umgelegt, doch das wollte sie Volker nicht antun. Jürgens Tod änderte nichts daran, daß sie sich mit Volker ve rlobt hatte.
Die Baronesse griff nach den Briefen. Die meisten von ihnen hatte Jürgen geschrieben, aber es waren auch einige Briefe dabei, die sie ihm geschickt hatte. Seine vor zwei Monaten verstorbene Großtante hatte sie ihr zukommen lassen, nachdem sie erfahren hatte, daß sich Christina mit Volker von Quant verloben wol lte.
Es klopfte. Gleich darauf trat ihre Mutter ein. "Wie geht es dir, Liebes?" fragte die Baronin. Sie setzte sich neben Christina auf das Bett.
"Ist es Jürgen?" Die junge Frau blickte ihr ins Gesicht. "Bitte, sage mir die Wahrheit, Mutti. Ich werde es ohnehin erfahren."
"Es würde nichts helfen, dich anzulügen, Kind", meinte Elis abeth Baronin von Frey und schloß ihre Tochter in die Arme. "Wie es aussieht, handelt es sich bei dem Toten tatsächlich um Jürgen Wahl. Man hat seine Leiche inzwischen geborgen und ins Gerichtsmedizinische Institut nach Eutin gebracht."
"Ist Jürgen ausgerutscht?"
Die Baronin zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. "Der Tote ist erschossen worden."
"Erschossen", wiederholte Christina entsetzt. "Jürgen hatte auf der ganzen Welt keinen einzigen Feind. Wer sollte ihn erschossen haben?" Sie klammerte sich an ihre Mutter. "Du hast ihn doch gekannt."
"Es muß nicht ein Feind gewesen sein", sagte die Baronin. "Jemand könnte ihm aufgelauert haben, weil er wußte, daß Jürgen stets sehr viel Geld bei sich getragen hat. Du weißt, wie leichtsinnig er gewesen ist."
Die junge Frau nickte. Wie oft hatte
Weitere Kostenlose Bücher