Die Hand im Moor (German Edition)
Kaffee könnte ich auch gebrauchen", gestand Volker, als sie das Haus betraten. "Ich fühle mich wie gerädert." Seku ndenlang wirkte sein Gesicht grau und eingefallen, doch dann hatte er sich wieder gefangen.
"Ich würde dich gerne in meinem Arbeitszimmer sprechen, Volker", sagte der Baron, nachdem er Alfred, der ihnen in der Halle entgegengekommen war, Hut und Mantel gereicht hatte. "Wenn es geht, sofort."
"Natürlich, Onkel Paul." Volker straffte die Schultern. Er ahnte, worüber sich Christinas Vater mit ihm unterhalten wollte.
"Ich komme mit", sagte Christina zu seiner Überraschung und blickte ihrem Vater ins Gesicht. "Ich nehme an, daß das, was du mit Volker zu besprechen hast, auch mich etwas angeht, Vati."
"Mir wäre es lieber, wenn ich mich mit Volker unter vier Augen unterhalten könnte", wandte der Baron ein.
"Tut mir leid, Vati, aber ich werde bei eurer Unterredung dabei sein. Ich bin kein kleines Kind mehr", erwiderte die junge Frau und folgte den Männern ins Arbeitszimmer. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, fragte sie: "Es geht doch sicher um diese lächerlichen Gerüchte, daß Volker etwas mit Jürgens Tod zu tun haben soll?"
"In der Tat, ich wollte mich mit dir darüber unterhalten, Volker", gab der Baron zu. Er legte die Hände auf die Schultern seines zukünftigen Schwiegersohns. "Jürgen war zwar dein Freund, Volker, doch es ging auch um Christina. Du wußtest, daß sie ihn gegen unseren Willen heiraten wollte. Nicht nur unsere, auch deine Pläne wären dadurch zunichte gemacht worden."
"Und doch habe ich ihn nicht getötet, Onkel Paul", antwortete der Verwalter. "Abgesehen davon, daß Jürgen mein Freund war, ist Christina für mich stets wie eine Schwester gewesen. Ich hätte niemals etwas getan, daß ihr soviel Kummer zufügt."
Paul Baron von Frey dachte nach. "Vermutlich wird man dich in naher Zukunft noch einmal verhören, Volker. Du solltest bereits jetzt über dein Alibi nachdenken. Drei Jahre sind eine lange Zeit. Wenn man mich fragen würde, was ich an jenem Tag, an dem Jürgen erschossen wurde, getan habe, ich könnte es nicht mehr sagen."
"Ich habe bereits darüber nachgedacht, Onkel Paul." Volker von Quant lehnte sich gegen den Schreibtisch. "Jürgen muß in der Nacht zum zweiten Mai oder am Vormittag darauf erschossen worden sein. Nachts werde ich wohl wie alle geschlafen haben. Was ich am Vormittag getan habe." Er hob die Schultern, dann wandte er sich Christina zu und blickte ihr in die Augen. "Bei allem was mir heilig ist, Liebes, ich habe Jürgen nicht erscho ssen." Er zog sie in den Arm.
"Das weiß ich, Volker", erwiderte die junge Frau überzeugt. "Wer immer Jürgen erschossen hat, du bist es nicht gewesen." Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. "Ich werde zu dir halten, verlaß dich darauf."
* * *
"Hol das Stöckchen, Harro!" rief Christina und warf einen di cken, zwanzig Zentimeter langen Stock in Richtung Bach.
Wie ein Pfeil jagte Harro an ihr vorbei. Kurz vor der Au fschlagstelle des Stocks bremste er so abrupt, daß sich seine Vorderbeine fest in den Boden stemmten und er sich fast überschlagen hätte. Schwanzwedelnd brachte er seiner Herrin den Stock zurück, legte ihn ihr zu Füßen und bellte herausfordernd.
"Braver Hund", lobte die Baronesse und warf den Stock die smal in die andere Richtung.
Seit Jürgens Beerdigung waren zwei Tage vergangen. Auf Gut Freyhof schien alles seinen gewohnten Gang zu gehen, aber unter der ruhigen Oberfläche brodelte es. Christina bewunderte ihren Verlobten, der es schaffte, ruhig seiner Arbeit nachzugehen. Sie wußte, daß selbst einige der Gutarbeiter sich offen darüber unte rhielten, ob Volker Jürgen erschossen hatte oder nicht.
"Hallo!"
Christina blickte auf. Ein freudiges Lächeln glitt über ihr Gesicht. "Herr Bachmann, wo kommen Sie denn her?" fragte sie und ging dem jungen Forscher entgegen.
"Ich dachte, daß ich mir einen kurzen Spaziergang verdient hätte", erwiderte Dominik. "Morgen werden wir die Arbeiten im Moor wieder aufnehmen. Ich habe heute das behördliche Okay erhalten."
"Und wie haben Sie sich während der letzten Tage die Zeit vertrieben?" fragte die junge Frau.
"Eine gute Frage", meinte er lachend. "Ich habe mich meiner Doktora rbeit gewidmet."
"Muß interessant sein."
"Vor allen Dingen ziemlich anstrengend." Dominik streckte die Hand aus. "Gib mir das Stöckchen, Harro", verlangte er.
Der Hund ließ sich den Stock aus der Schnauze nehmen.
"Mal sehen, wie weit ich werfen
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