Die Hand im Moor (German Edition)
jede Mark, die er ausgibt, erst erarbeiten zu müssen."
"Hoffen wir, daß er aus seinen Fehlern gelernt hat", warf Elis abeth Baronin von Frey ein. "Es dürfte allgemein bekannt sein, daß er sein gesamtes Vermögen verspielt hat. Ich möchte nicht wissen, wieviel Schulden er noch hat."
"Es geht uns nichts an", bemerkte ihr Mann. Er wandte sich an Volker: "Seit ihr noch Freunde?"
"Sagen wir mal, wir sind noch miteinander befreundet", erwiderte der junge Verwalter. "Jürgen war es, der uns zusammengehalten hat." Er lachte leise auf. "Erinnert ihr euch, wie man uns nannte? Die drei Musketiere. Mit der ganzen Welt wollten wir es aufnehmen."
Christina dachte gerne an jene Zeit zurück. Meist war sie die Prinzessin gewesen, die gegen allerlei Unbill beschützt werden mußte. Noch jetzt wunderte sie sich oft, daß Jürgen und Volker gute Freunde gewesen waren. Selbst im Spiel hatten sie beide um ihre Gunst gekämpft. Nur Dieter hatte sich niemals etwas aus ihr gemacht.
"Hast du Lust, mit mir heute nachmittag zur Mühle zu reiten, Christina?" fragte Volker von Quant.
Christina wollte ihm gerade sagen, daß sie sich mit ihrer Freundin verabredet hatte, als einer der Gutarbeiter völlig aufg elöst die Terrasse betrat. "Bitte verzeihen Sie", bat er und holte tief Luft. "In der Nähe der Mühle ist eine Hand im Moor aufgetaucht", stieß er außer sich hervor. "Sie besteht nur noch aus Knochen."
Volker sprang auf. Polternd stürzte dabei sein Stuhl um. "Im Moor?" fragte er fassungslos. "Bei der Mühle?"
Christina vergrub ihr Gesicht in den Händen. "Ich wußte, daß Jürgen tot ist", flüsterte sie den Tränen nah. "Ich habe es immer gespürt."
"Wir fahren sofort los", entschied Baron von Frey.
"Ich komme mit." Christina stand auf. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihre Zähne schlugen heftig aufeinander.
"Bitte, nimm dich zusammen", raunte die Baronin ihr zu. "B ewahre wenigstens etwas Haltung."
Volker hatte sich wieder gefangen. Er legte den Arm um die junge Frau. "Wer weiß wie lange der Tote, zu dem die Hand g ehört, schon im Moor liegt", meinte er beruhigend. "Es muß nicht Jürgens Hand sein. Er ist sicher nicht tot, sondern hat woanders sein Glück versucht."
Christina konnte Volkers Worten keinen Glauben schenken, aber sie empfand die tiefe Freundschaft, die er ihr entgegenbrac hte. Schutzsuchend schmiegte sie das Gesicht an seine Schulter. Mochte Volker sie auch nicht lieben, er würde stets für sie dasein, sie niemals im Stich lassen. Plötzlich war sie froh, einen Mann wie ihn an ihrer Seite zu haben.
* * *
Karin Weiß fuhr durch die Lindenallee, die zu dem schloßähnlichen Gutshaus führte. Sie parkte ihr Cabriolet neben dem Springbrunnen. Ihr Herz schlug etwas schneller, als sie Volker von Quant sah, der gerade aus dem Haus kam. "Hallo!" rief sie ihm entgegen.
Mit raschen Schritten ging der junge Verwalter auf sie zu. "Schön, daß du gekommen bist", sagte er und reichte ihr die Hand, um ihr aus dem Wagen zu helfen.
Karin lächelte ihm zu. Es fiel ihr schwer, ihm nicht zu zeigen, was sie für ihn empfand. Bereits als Sechzehnjährige hatte sie Volker geliebt, doch er hatte niemals mehr als Christinas Freundin in ihr gesehen. Was hatte sie früher nicht alles getan, um seine Aufmerksamkeit zu erringen. Volker hatte nur Augen für Christina gehabt.
Und sie liebt ihn nicht einmal, dachte Karin erbittert, doch dann sagte sie sich, daß Christina dennoch mit Volker glücklich werden würde. Die beiden waren füreinander bestimmt. Christinas Eltern hatten niemals einen Hehl daraus gemacht, daß sie sich nichts sehnlichster wünschten, als eines Tages Volker ihren Besitz übe rgeben zu können.
"In der ganzen Umgebung wird von nichts anderem gespr ochen, als von dem Toten im Moor", sagte sie. "Dandorf schwirrt wie ein Bienenschwarm. Ich bin mindestens viermal darauf angesprochen worden, weil alle Welt weiß, daß Christina und ich befreundet sind." Sie sah Volker an. "Weiß man inzwischen schon, um wen es sich bei dem Toten handelt? - Könnte es Jürgen sein?"
Volker von Quant schüttelte den Kopf. "Man hat bisher nur die Hand gefunden", erwiderte er. "Aber es steht inzwischen fest, daß es keinesfalls Jürgens sein kann. Du ahnst nicht, wie erleichtert wir alle sind. Der Fund hat Christina sehr mitgenommen. Sie hat sich etwas hingelegt und ein leichtes Beruhigungsmittel geno mmen."
"Arme Christina", meinte Karin. "Sie hat Jürgen so geliebt." Niemand hatte mehr als sie bedauert, daß Jürgen Wahl
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