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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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bin ich nicht. Ich bin ein Rechercheur okkulter Phänomene, und es ist meine Aufgabe, das möglicherweise Echte von dem offensichtlichen Falschen zu unterscheiden.»
    Wiener machte ein noch düstereres Gesicht. «Ich hatte vergessen», sagte er, «daß ihr Engländer immer noch an Geister glaubt.»
    «Wenn Sie vom einzelnen auf die Allgemeinheit schließen wollen», bemerkte Hero, «dann gilt das auch für euch Amerikaner.» Und als Wiener ihn anfunkelte, fügte er hinzu: «Constable zum Beispiel.»
    «Ach du lieber Gott», sagte Wiener.
    «Und die Hand», fuhr Hero fort. »Die Hand eines fast schon ein Jahr toten Kindes. Können Sie die herstellen?»
    Wiener rutschte nervös auf seinem Sessel hin und her und blickte Hero noch mißbilligender an. «Allmächtiger Gott, was ist mit der Hand? Hat Dr. Ferguson gesagt, er habe Sie deswegen herkommen lassen? Gehört die nicht auch zu dem ganzen Schwindel von Tamburinen, Akkordeons und Schalltrichtern, die im Dunkel herumschweben, während das Medium angeblich an einen Stuhl festgebunden ist?»
    Hero nickte. «Im großen und ganzen ist das alles ziemlich widerlich. Aber man weiß nie wirklich. Man muß jeden Fall so nehmen, wie er kommt, als geschehe das zum erstenmal.» Er dachte einen Augenblick nach, und dann sagte er: «Wissen Sie, es waren Ihre Vorfahren, die mit dem allem einmal angefangen haben.»
    Wiener sah Hero scharf an. «Was soll das heißen?»
    «Haben Sie schon einmal von dem zitternden Zelt der Ojibwac gehört?»
    «Nein. Was meinen Sie mit meinen Vorfahren?»
    «Nehmen Sie es mir nicht übel», sagte Hero, «aber mir scheint, Sie haben Indianerblut.»
    Wiener starrte ihn verärgert an. «Woher wissen Sie das?»
    «Entschuldigen Sie», erwiderte Hero. «Als ich Sie das erste Mal sah, kam es mir so vor, und Sie haben es mir bestätigt.»
    Wiener brach plötzlich in schallendes Gelächter aus, und sein ganzer düsterer Argwohn fiel von ihm ab, als er Hero amüsiert anblickte. «Wahrscheinlich ist es so», grinste er. «Der Ur-Ur-Ur-großvater Wiener war vor der Revolution Hausierer. Er heiratete ein Mädchen aus dem Seneca-Stamm, Wa-na-ton-ne-dah, die erste Blume, die nach dem Schnee kommt. Ich bin wahrscheinlich der einzige Jude mit Indianerblut in New York. Ich posaune das zwar nicht aus, aber so lächerlich es klingen mag, ich bin stolz darauf. Ich habe sogar ein paar Sätze in der Seneca-Sprache gelernt, zu Ehren der ersten Blume, die ihren Kopf durch den Schnee steckte.» Er deutete auf das gerahmte Foto. «Sehen Sie sich die Backenknochen der Kinder an. Bei ihnen macht sich das Indianerblut auch bemerkbar.» Dann fragte er: «Was war das zitternde Zelt der Ojibwac?»
    «Nun», erwiderte Hero, «es waren, glaube ich, kanadische Indianer. In mehreren Berichten von französischen Missionaren, die als erste in die Wildnis dort eingedrungen sind, ist davon die Rede. Der Medizinmann ließ sich von ihnen mit Lederriemen fesseln und in einen geschlossenen Wigwam bringen, in dem ein kleines Feuer brannte. Bald begann das ganze Zelt zu schwanken und zu zittern, und Rauch stieg aus der Spitze, und dann hörte man die Stimme des Großen Geistes prophezeien. Als sie später den Wigwam öffneten, lag der Medizinmann noch genauso gefesselt dort wie vorher.»
    Wiener, in dessen Gesicht sich immer noch Heiterkeit spiegelte, fragte: «Wie ist das vor sich gegangen?»
    «Ich nehme an, der Mann vermochte, ebenso geschickt wie die Experten heute, sich von den Fesseln zu befreien und wieder zu fesseln», erwiderte Hero. «Es ist im Grunde kein Kunststück. Nachdem er sich befreit hatte, hat er wahrscheinlich Harz in das Feuer geworfen, das Zelt geschüttelt und seine Stimme verstellt.»
    «Nun», sagte Wiener, «da sieht man es wieder einmal.»
    «Ja, ich weiß», gab Hero zu. «Es war ein ziemlich plumper Trick. Aber was man sich nie hat erklären können, war die bemerkenswerte Art der Prophezeiung, die sie zu machen vermochten. Es waren da wirklich einige sehr außergewöhnliche Dinge, von denen sie unmöglich vorher etwas gewußt haben konnten — zumindest scheint es so. Die Missionare haben das eindeutig festgestellt. Vielleicht waren die Primitiven solchen Dingen etwas näher. Eine Art Wurmfortsatz des zitternden Zelts ist durch die Medien, die behaupten, unter Indianerkontrolle zu stehen, auf uns überkommen.»
    Wiener machte wieder ein ernstes Gesicht. «Sie glauben wirklich an etwas von diesem Zeug?» fragte er.
    Ebenso ernst antwortete Hero: «Ich glaube nichts.

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