Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
geschlossen die von Zärtlichkeit überströmenden Augen, verstummt das heitere Lachen, die sanfte Stimme. Wo war sie? Wohin war sie gegangen? Die Sehnsucht und das Verlangen, sie wiederzufinden, fluteten von neuem durch Peter Fairweather und schnürten ihm die Kehle zu. In einer seltsamen Selbsthypnose trieb die Sehnsucht nach der toten Schimäre Peter Fairweather im Dunkeln die Tränen in die Augen.
    Die Platte war wieder abgelaufen, und als der Gesang aufhörte, kam ein leises Stöhnen und Wimmern aus dem Kabinett und schien nicht wieder verstummen zu wollen. Dann, plötzlich und verblüffend, begann das Tamburin zu schlagen und zu rasseln, und die Quetschkommode keuchte die Anfangstakte von «Näher, mein Gott, zu dir», und der Schalltrichter, der plötzlich phosphoreszierte, tauchte aus dem Kabinett auf, offenbar, ohne daß ihm jemand dabei half, und schwebte in dessen Nähe in der Luft.
    Bessmer drückte von neuem Peter Fairweathers Hand und flüsterte: «Pst, die Geister sind gekommen.» Alexander Hero verspürte nur Ekel, während Fairweather weiter von der Sehnsucht und Trauer erfüllt war, die er beschworen hatte.
    Ein Trommelwirbel von Klopfzeichen ertönte für einen Augenblick, von einem irren Lachen begleitet, in dem Kabinett. Im Dunkel rief eine der Frauen plötzlich: «Ach! Etwas hat mich berührt!» Hero spürte einen kühlen Luftzug, und es war ihm, als streiche eine eisige Hand an seinem Ohr vorüber, und ohne es zu wollen, fuhr er zusammen.
    «Pst», flüsterte Bessmer wieder. «Bewegen Sie sich nicht. Sie sind alle um uns, sie beobachten uns.»
    Hero bezweifelte das nicht und war erstaunt, daß selbst jemand mit seiner Erfahrung sich so hatte täuschen lassen. Aber seine Nase hatte sich nicht getäuscht. Er hatte den schwachen, muffigen, schimmligen Geruch erkannt. Einige der anderen Teilnehmer murmelten und stießen leise Schreie aus, und ein Stuhl wurde laut zurückgeschoben. Selbst in dem schwachen roten Lichtschein, an den die Augen sich jetzt gewöhnt hatten, war nichts zu sehen. Dann wurde es wieder still; nur das Atmen der erwartungsvollen Teilnehmer wurde lauter. Hero fragte sich, was Professor Constable denken mochte. Offenbar hatte keiner der suchenden Geister sich ihm genähert.
    Dann schallte aus dem Dunkel, wieder von dort, wo sich das Kabinett befand, eine tiefe Stimme mit dünnen metallischen Obertönen, die von dem Schalltrichter, durch den sie sprach, herrührten: «Seid gegrüßt. Ich bin der Große Häuptling Gewitterwolke, ich komme aus dem Geisterland hierher, um euch zu begrüßen.»
    Von dort, wo der rührende, kahlköpfige kleine Mr. Weitzenkorn saß, hallte als Antwort: «Sei gegrüßt», und auch mehrere andere riefen wie ein Amen: «Sei gegrüßt!»
    Hero brauchte kein Lächeln zu unterdrücken; es war alles zu tragisch. Peter Fairweather war noch meilenweit weg an der Bahre von Ruth Lesley. Bessmer flüsterte Fairweather zu: «Das ist Sarahs indianischer Gebieter, der Große Häuptling Gewitterwolke. Er wurde in der Schlacht am Kleinen Bighorn getötet.»
    «Ich bringe Botschaften», sagte der unsichtbare Häuptling. «Ich werde sie vorlesen», und mit monotoner Stimme las er: «Miss Agathey fragt, ob ihr Bruder im Jenseits Bücher bekommt. Der Bruder sagt, er hat viele Bücher. Alle haben im Jenseits alles im Überfluß.»
    Man hörte die krächzende Stimme von Miss Agathey: «Ach, danke, Häuptling. Ich bin so erleichtert. Howard hat immer gern viel gelesen. Er hätte sich ohne seine Bücher verloren gefühlt.»
    Der Große Häuptling Gewitterwolke fuhr fort: «Mr. Weitzenkorn fragt seine Frau Lea: Bist du glücklich? Werde ich dich einmal wiedersehen? Frau Lea sagt: Ich bin glücklich. Du wirst mich vielleicht einmal wiedersehen.»
    Hero fragte sich, warum Constable, ihm selber und vielleicht auch anderen Materialisationen versprochen worden waren, während einige nur Antworten aus zweiter Hand auf ihre niedergeschriebenen Fragen bekamen und die Antwort fast unmittelbar der Frage folgte. Offenbar hatten diese weniger Geld gespendet.
    «Und die Fragen stecken in verschlossenen Umschlägen», erinnerte Bessmer mit seinem durchdringenden — Flüstern Fairweather. «Und sie werden ungeöffnet zurückgegeben werden.»
    Fairweather trauerte weiter, aber Hero dachte: Das kann ich mir lebhaft vorstellen, und inzwischen hat «Mutter» eine schöne Zeit, während sie mit Hilfe einer Bleistifttaschenlampe durch die Umschläge hindurch liest.
    Es folgten noch mehr Fragen und

Weitere Kostenlose Bücher