Die Hand von drüben
da ist sie», sagte Woodmanston mit vor Erregung fast brechender Stimme. «Gehen Sie zu ihr.»
Als ob es ihm helfen wolle, sie zu finden, schien das rote Licht ein paar Sekunden lang heller zu leuchten, vertrieb die dunkelsten Schatten und enthüllte die Umrisse des Kabinetts, dessen Vorhänge sich bewegt zu haben schienen.
Peter Fairweather gab sich ganz dem seltsamen Traum hin, der ihn plötzlich einhüllte und ihn sich wie einen Somnambulen vorwärts bewegen ließ. Vor den sich ein wenig bauschenden Vorhängen hielt er inne und konnte jetzt das schwere Atmen und leise Stöhnen hören, das von dem Medium kam.
«Peter! Mach schnell, Peter!»
Das hinreißende Flüstern war so leise, daß niemand außer ihm es hören konnte. Er schob die Vorhänge auseinander, ging hinein und wurde von der Finsternis darin umfangen, und einen Augenblick lang verlor er fast das Gleichgewicht, als ob er in den Abgrund eines Alptraums gestürzt sei und falle, falle...
Er hörte ein Rascheln und wieder das Flüstern seines Namens, und dann lag Ruth Lesley in seinen Armen. Ihr Körper schmiegte sich an seinen, ihre Arme schlangen sich um seinen Hals. Ihr Mund preßte sich auf seinen, und aus alldem sprachen der Hunger und die Sehnsucht und die Liebesleidenschaft, die sie erlebt hatten.
Die Wiedervereinigung war eine jubelnde Ekstase, in der Fairweather versank, als stolpere er durch das Universum der Sterne. In der Umarmung tat sich alles kund. Sie war ganz da, sie gehörte ganz ihm, wie sie ihm von Anfang an gehört hatte und jetzt in alle Ewigkeit ihm zu gehören versprach.
«Peter! Peter!»
«Ruth!»
Und dann kein Wort mehr, sondern nur die Süße des Kontaktes. Instinktiv, ohne daß es ihm bewußt wurde, begannen Fairweathers Finger sie zu betasten. Ein leises Lachen erklang, und dann, so plötzlich, wie sie ihn umarmt hatte, ließ sie ihn wieder allein. Es war niemand mehr dort. Mit seinen Händen versuchte er, das Dunkel von sich zu schieben und sie wiederzufinden, aber sie war fort, und als er um sich tastete, berührten seine Finger plötzlich rauhes, hartes Haar und dann die große Adlernase und das fleischige Gesicht des Mediums, und den Strick, mit dem sie festgebunden war. Sie begann zu jammern, zu stöhnen und zu schreien, und Fairweather spürte, daß ihr Gesicht feucht vor Schweiß war. Geradezu von Panik besessen, griff er nach den Vorhängen, schob sie auseinander und stolperte in den schwachen roten Lichtschein hinaus, in dem er von dort, wo er stand, die Umrisse der anderen Teilnehmer, die im Halbkreis saßen, wie das Jüngste Gericht sah. Irgendwie brachte er es fertig, zu seinem Stuhl zurückzugelangen.
Siebentes Kapitel
Peter Fairweather, der mit Alexander Hero verschmolz, zog sich verwirrt, erregt und vor Wut kochend in das willkommene Dunkel zurück.
Er spürte, wie Bessmer und Woodmanston nach seinen Händen griffen, ließ sie unwillig gewähren, denn die Berührung der beiden war widerlich, zumal die der feuchten Finger Bessmers, die seine fast liebevoll drückten.
Hero war tief bewegt gewesen und ebenso körperlich wie seelisch erschüttert. Im Augenblick waren Peter Fairweather, der Cambridger Dozent für angewandte Psychologie, und Alexander Hero, Erforscher und Rechercheur des Okkulten, eins geworden.
Er wußte, es gab Frauen, zumeist unerfahrene, deren Küsse frisch, kräftig und gebieterisch waren, deren Münder Unschuld verrieten, und andere, deren Lippen so weich, so saugend und sinnlich waren, daß einem die Sinne schwanden und die Gedanken sich verwirrten, als ob der Liebesakt schon begonnen habe. Solch ein Mädchen war es, das er im Dunkel das Kabinetts in den Armen gehalten hatte, und solch einen Kuß hatte er bekommen. Er war so überwältigt und erregt gewesen, daß seine normale kühle und genaue Beobachtungsgabe, die er in dieser Seance so dringend brauchte, ausgeschaltet worden war. Er war praktisch verführt Worden. Sein Alter ego Peter Fairweather, in dessen Charakter er so vollkommen aufgegangen war, war ebenfalls tief erschüttert. Die geistige Schöpfung der nicht existierenden Ruth Lesley war so vollkommen gelungen, daß sie fast zu einem sterblichen Menschen geworden war, und einen Augenblick fragte sich Fairweather-Hero, ob die Macht seines Verlangens nach dieser imaginären Gestalt sich nicht vielleicht einem wandernden, herumirrenden Geist mitgeteilt hatte, der erschienen war, um seinen Schmerz zu mildern. Aber dann kehrte seine Wut wieder, Wut auf sich selbst, weil er so
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