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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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die Hülle hinunter, die das Geheimnis beherbergt hatte, das Tina Cryder war. Und er dachte, wenn es so etwas wie Geister von Ermordeten gibt, die keine Ruhe finden können, Geister, die gewaltsam aus ihren Hüllen herausgeschleudert worden sind, würdest du dann jetzt nicht hier sein und es mir sagen?
    Er knipste seine Taschenlampe aus und wartete ein paar Augenblicke im Dunkeln. Man hörte nicht einmal ein Wispern, und eine Woge von Mitleid überflutete ihn bei dem Gedanken, daß die dort auf dem Bett Liegende für immer verstummt war. Er knipste die Lampe wieder an und ließ ihren Schein durch das Zimmer gleiten.
    Auf einem Stuhl lagen ihr seidenes Kleid und ihre winzigen Pantoffeln. Der Lichtstrahl fiel auf ihren Toilettentisch mit den vielen Flaschen, Töpfen, Cremes, Lotions, Adstringentien und kostbaren Kristallgefäßen, die Parfüm enthielten. Und Hero dachte, daß sie wahrscheinlich um dieses rührenden weiblichen Luxus willen sich an die Feinde ihres Landes verkauft hatte.
    Eine Flasche von außergewöhnlicher Form war darunter. Sie war schwarz und mit silbernen Monden und Sternen verziert. Hero glaubte, daß sie nicht dort gestanden habe, als er die Nacht mit Tina Cryder verbracht hatte.
    Er ging zu dem Tisch hinüber, ergriff sie mit seiner behandschuhten Hand und las den Namen, der darauf stand: und die Handelsmarke des Pariser Parfümfabrikanten.
    Der gutgewählte Name hallte wie eine Glocke in ihm wider und beschwor Gedanken an die endlosen Weiten des Raums, die Novas, jene neuen Sterne, die nach plötzlichem Lichtausbruch allmählich , wieder ihre frühere Helligkeit annehmen, in sich weit dehnenden Galaxien wirbeln und ihre Radiowellen durch die langen Lichtjahre senden. Das erinnerte ihn an Constables Vision seines Kindes, das für immer hinter den fernsten Galaxien verloren war, und er dachte an Ruth Lesley.
    Er nahm den Stöpsel aus der Flasche und roch an dem Parfüm, und fast im gleichen Augenblick kehrte die Erinnerung an das Kabinett wieder, als er Ruth Lesley in seinen Armen gehalten hatte. Und dieses Parfüm hatte also geheißen; Tina Cryder hatte es vielleicht halb zynisch benutzt als Ruth, und auch als Mary Constable war sein Duft an ihr haften geblieben. Sie hatte natürlich die Flasche versteckt, als sie wußte, daß er mit ihr schlafen würde.
    Er stellte sie behutsam wieder auf ihren Platz, ging alle Bewegungen, die er gemacht hatte, in seinem Kopf noch einmal durch, um sich zu vergewissern, daß er nichts verrückt hatte und keine Spur seines Besuches hinterließ. Dann warf er einen letzten Blick auf das Gesicht des toten Mädchens, einen Blick, der sagen sollte: , wenn es ihr tatsächlich gelungen war, ihn vor dem Tod zu bewahren, und in diesem Moment wurde ihm erst ganz das Furchtbare bewußt, das geschehen war, und von neuem lief es ihm kalt den Rücken hinunter.
    Sie war tot, und er lebte. Aber wie lange würde er den Befehl der Exekution überleben, der gewiß ebenso auch gegen ihn ergangen war?
    Und gleichzeitig wurde ihm klar, daß, wenn sie ihn gerettet, sie ihn auch an den Feind verraten hatte und seine Tarnung ihm nichts mehr nützte. Wenn sie gewußt hatte, daß Alexander Hero und Peter Fairweather ein und dieselbe Person war, dann wußten es ihre Auftraggeber auch. Die Tatsache, daß er dem Schicksal jener beiden entgangen war, bedeutete nicht, daß die Jagd abgeblasen, sondern nur, daß sie vertagt war. Wie er dort mit der Taschenlampe in der Hand stand, bot er genau in diesem Augenblick eine gute Zielscheibe, und er knipste sie schnell aus und spitzte dann die Ohren, um zu hören, ob irgendeine Diele knarrte und ein Kleidungsstück raschelte. Er kam sich nackt und verletzlich vor, und zum erstenmal während dieser Untersuchung überfiel ihn eine große Angst.
    Aber es lag noch eine Aufgabe vor ihm, von der er wußte, daß er sie ausführen mußte, wenn nicht das, was er mit seinem gefährlichen Besuch hatte erreichen wollen, scheitern sollte. Es handelte sich um die Durchsuchung des Hauses nach einem Hinweis oder Indiz, die das Rätsel der Hand Mary Constables lösen konnten. Bitter dachte er, daß die beiden hier oben jetzt nichts mehr dagegen hätten und daß das, was er vielleicht fand, ihnen nichts mehr anzuhaben vermochte. Aber wenn nun der Mörder noch hier war, irgendwo im stummen Dunkel des Hauses lauerte?
    Er würde, dachte Hero, sobald er seinen Auftrag erfüllt hatte, sich so schnell wie möglich

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