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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Streife vorbeikam, würde er bemerken, daß das Fenster dunkel war, würde sehen, daß die Tür offen war, und binnen weniger Minuten würde dann die New Yorker Polizei in Tätigkeit sein.
    Er ging wieder den Broadway hinauf zur Wall-Street-Untergrundbahnstation, die ihm jetzt schon vertraut war, und wünschte nur, daß seine Schritte nicht so laut auf dem Gehsteig hallten und seine Anwesenheit verrieten. Hin und wieder fuhr ein gelbes Taxi oder ein schwer beladener Lastwagen an ihm vorüber, und Hero wandte den Blick zu den Gebäuden, damit keiner der Fahrer im Licht einer Laterne sein Gesicht sehen konnte. Dann wurde es wieder still bis auf seine laut hallenden Schritte.
    Er gelangte zu dem Eingang der Untergrundbahn, aber es war der zu dem Bahnsteig, von dem die Züge in südlicher Richtung fuhren. Er ging die Treppe hinunter, zog sich im Automaten eine Karte, spähte über den Rand des Bahnsteigs in den schwarzen Tunnel und sah die beiden grünen Augen eines sich nahenden Zuges. Er stieg in den ersten Wagen, zog den Plan des Untergrundbahnnetzes aus seiner Tasche und sah darauf, wo er war und wohin er fuhr. Er fuhr bis Borough Hull in Brooklyn, wo er umstieg und einen Zug zurück nach Manhattan bekam.
    In dem Wagen mit ihm saßen verschlafen aussehende Arbeiter, die entweder von der Nachtschicht nach Hause kamen oder auf dem Wege zur Frühschicht waren. Die meisten von ihnen lasen Morgenzeitungen. Seine Phantasie begann von neuem zu arbeiten. Jeder von diesen hinter dem Schirm der Bildseiten der Verborgenen konnte der mit seiner Exekution Beauftragte sein. Er würde nie seinen Namen erfahren, würde ihn erst sehen, wenn es zu spät war. Er konnte zu jeder Zeit von irgendwo plötzlich auftauchen, aus einer Tür oder hinter einer Säule oder selbst im Korridor seines Hotels. Das Überraschungsmoment gerade war wesentlich für den Überfall, denn dann würde er vor Schreck tief Atem holen und damit seine Lungen mit dem Gift füllen. Wußten sie, wo er wohnte? Wäre es besser, wenn er in ein anderes Hotel zöge? Hatte er Tina gesagt, wo er abgestiegen war? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern.
    Er merkte, daß seine Nerven mit ihm durchgingen und daß, wenn er seine Phantasie weiterspielen ließ, er für den Plan wertlos werden würde, für den man ihn engagiert hatte. Er redete sich ein, daß, wenn der Mörder Paul und Tina Cryders bei Verstand war, er sicherlich längst auf Schleichwegen das Land verlassen hatte, um nach Moskau zurückzukehren.
    Innerlich wieder etwas ruhiger, stieg er an der Grand Central Station aus. Es war kurz nach halb drei. Das geschäftige Morgengetriebe machte ihn wieder zuversichtlicher. Im Hotel ging er gleich in sein Zimmer und ans Telefon. Es war jetzt, wußte er, höchste Zeit, Saul Wiener ins Bild zu setzen.
    Aber noch während er den Hörer von der Gabel nahm, wurde ihm bewußt, daß er völlig vergessen hatte, daß Wiener in einem Zug zwischen New York und Washington saß. Dennoch, als sich die Telefonistin mit den Worten meldete: «Immer noch auf, Mr. He-ro?» antwortete er: «Ich kann nicht schlafen. Ich habe Zahnschmerzen», und er nannte die Nummer, die ihm Wiener gegeben hatte, falls er ihn nachts dringend erreichen mußte.
    Nach dem ersten Klingeln antwortete eine Stimme: «Hier spricht Sullivan vom FBI.» Hero wußte, daß er der Mann war, der Nachtdienst hatte. «Hier ist Alexander Hero. Besteht eine Möglichkeit, Mr. Wiener zu erreichen?»
    In scharfem Ton fragte Sullivan: «Ist irgend etwas passiert?»
    «Nein», erwiderte Hero, «aber ich möchte ihm gern eine Nachricht zukommen lassen. Ich weiß, er ist auf dem Wege nach Washington.»
    Eine kurze Pause trat ein, in der Hero das Rascheln von Seiten hörte, die umgeblättert wurden. «In dem Ein-Uhr-Zug ist kein Telefon. Nur in dem . Möchten Sie, daß man ihn in Baltimore aus dem Zuge holt?»
    Hero dachte schnell nach und kam zu dem Ergebnis, daß es doch keinen Sinn hatte, mit Wiener zu telefonieren. Er brauchte ihn hier, wenn die Polizeiärzte zu dem Schluß kamen, daß die Cryders nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern ermordet worden waren. Er brauchte die Abdrücke der Finger von Tina Cryder und vor allem die ihrer Handfläche, bevor die rasch fortschreitende Verwesung sie verändert hatte. «Nein, das ist nicht notwendig», sagte er. «Wann kommt er in Washington an?»
    «Die Reisenden steigen um sieben Uhr dreißig aus, aber der Zug trifft dort schon um

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