Die Hand von drüben
sechs ein.»
«Würden Sie dann so freundlich sein und Mr. Wiener benachrichtigen, daß ich angerufen habe, und ihn bitten, wenn möglich sofort zurückzukehren?»
«Wir werden das tun», sagte Sullivan und dann nach einem kurzen Zögern, «Sie möchten uns wohl nicht sagen, um was es sich handelt, falls Mr. Wiener...?»
«Nein, danke», erwiderte Hero. «Ich möchte lieber damit warten, bis ich mit ihm sprechen kann.»
Er legte den Hörer auf und wollte gerade ins Badezimmer gehen, als plötzlich seine Lüge der Telefonistin gegenüber, daß er Zahnschmerzen habe, zu einer grausamen Realität wurde.
Der Schmerz war wieder so heftig wie in der Nacht, als er das Haus Professor Constables verließ, und er wankte auf einen Stuhl zu, auf den er sich stöhnend fallen ließ, und preßte die Hand an die Backe. Nein, dieser Schmerz war noch heftiger als der neulich, und an dem rhythmischen Puckern merkte er, daß kein Wunder geschehen und der Schmerz nicht wieder so plötzlich aufhören würde, wie er gekommen war. Dieser würde nicht nachlassen.
Er wußte nicht, was er tun oder wohin er sich wenden sollte, der furchtbare Schmerz machte ihn ganz benommen, und es lief ihm kalt den Rücken hinunter, und der Schweiß brach ihm aus. Er konnte an nichts anderes mehr denken, als wie er dem glühenden Eisen, das alle zehn Sekunden durch seine Wange fuhr und jeden Nerv seines Körpers in Brand setzte, entrinnen könnte.
Er erhob sich und ging ins Badezimmer, wo er eine Röhre mit Aspirintabletten hatte. Er schluckte vier, aber ohne viel Hoffnung, daß sie etwas anderes bewirken könnten, als ihn noch benommener zu machen. Er begann sich auszuziehen, ließ es dann aber, da er spürte, daß er heute nacht doch nicht würde schlafen können. Im Gegenteil, das Problem war, wurde ihm bewußt, wie er die Stunden bis zum Morgen durchstehen sollte, wenn er den Zahnarzt aufsuchen konnte. Er suchte in seiner Brieftasche nach der Adresse, Felix Hofstetter, D. D. S., Westend Avenue 239, als ob sie, wenn er sie in seiner Hand hielte, sich als schmerzstillendes Mittel erweisen könnte. Aber sie tat es nicht. Hero verlangte es nach einem Whisky. Der zusammen mit dem Aspirin würde vielleicht das Wunder vollbringen. Da das Hotelrestaurant geschlossen war, blieb ihm nichts anderes übrig als auszugehen, sich zu betrinken und dann auf Dr. Hofstetters Schwelle zu sitzen, bis dieser erschien. Es war ein guter Gedanke, an den er sich da klammerte, und er ermöglichte es Hero, den furchtbaren Schmerz zu ertragen und sich für den Arzt, den er am Morgen aufsuchen würde, präsentabel zu machen, was darin bestand, daß er sich rasierte und sein Hemd wechselte. Er zog seine Jacke an, verließ das Zimmer und klingelte nach dem Lift.
Der Fahrstuhlführer, ein müde aussehender, mürrischer junger Mann mit nicht viel Kinn, seufzte, als sie hinunterfuhren, und murmelte vor sich hin: «Ach, Mensch!» Und da er glaubte, einen fragenden Blick von Hero aufzufangen, fügte er noch hinzu: «Ich bin völlig erschöpft. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Wie froh werde ich sein, wenn ich abgelöst werde!»
Die Beine des Liftboys interessierten Hero nicht. Er kämpfte gegen eine neue Schmerzattacke an, die drohte, ihm den Kopf zu zersprengen. Er fragte den Boy: «Ist hier in der Nähe eine Bar, die zu dieser Morgenstunde geöffnet ist?»
«Ja. O’Danaheys Bar und Grill, an der Ecke der 38. Street und Third Avenue.»
«Danke», sagte Hero. Als sie am Erdgeschoß anlangten, war niemand in der Halle, da der Mann am Empfang für einen Augenblick verschwunden war.
Hero legte seinen Zimmerschlüssel nicht auf die Theke. Er dachte nur an die Oase, die ihn erwartete, und ging in östlicher Richtung zur Third Avenue und dann ein Stück weiter nach Süden, wo das leuchtende Neonschild ihm die gute Nachricht verkündete, daß O’Danaheys Lokal geöffnet war.
Innen befand sich eine lange polierte Mahagonibar mit dem üblichen Regal voller Gläser und Flaschen dahinter. Der Barmann war ein fetter Ire mit geöltem Haar. An den wenigen Tischen saßen ein paar Nachteulen, und ein oder zwei Nachtbummler hockten an der Bar. Hero warf ihr einen liebevollen Blick zu, als wäre sie seine lange verlorene Schwester, und sagte: « Einen doppelten Bourbon.»
Der Barmann hob eine Braue. «Ich dachte, die Engländer tränken alle nur Scotch! Eine besondere Marke?»
«Nein, nein, nur Bourbon», murmelte Hero.
Der Barmann wählte eine Flasche mit einem orangefarbenen
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