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Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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ist das keiner.“
    „Was haben Sie gerade gesagt?“ Perry Clifton blieb abrupt stehen.
    „Ich habe gesagt, Franzose ist das keiner.“
    „Wie kommen Sie darauf, Mister Miller?“
    „Franzosen reden ständig vom Essen.“ William Miller gab diese für ihn unumstößliche Meinung im Brustton fester Überzeugung von sich. „Franzosen reden immer vom Essen. Ich habe einmal einen kennengelernt, vor etwa siebzehn Jahren. Der wohnte bei mir in der Nachbarschaft, und jeder zweite Satz drehte sich bei ihm ums Essen. Der Maler aber hat nicht ein Wort darüber verloren. Das ist nie und nimmer ein Franzose.“
    „Aber Großvater...“ Dicki wollte gerade zu einer langen Belehrung darüber ansetzen, daß man die Nationalität eines Menschen nicht davon ableiten konnte, ob er übers Essen sprach oder nicht, als er bemerkte, wie Perry Clifton ihm durch ein Handzeichen zu verstehen gab, still zu sein. Der Detektiv hielt die Augen geschlossen und ließ seine Gedanken zurückspulen, bis er die Szene wieder genau im Kopf hatte. Essen... Julie, Scott Skif-fer... Old Commercial , der schöne Clive... Bilder an der Wand... blaue Bilder... Ja, das war’s! Die Bilder in Clives Restaurant in London ähnelten auf den Pinselstrich denen des angeblichen Franzosen in seinem Wohnwagen...
    „Sie sind ein Genie“, sagte der Detektiv zu Mister Miller und verbeugte sich leicht.
    William Millers Kommentar: „Ach, wenn es weiter nichts ist, so soll mir das genügen.“ Auf jeden Fall würde er es nicht versäumen, dem Griechen bei nächster Gelegenheit Mister Cliftons Meinung über ihn, Großvater Miller, mitzuteilen, und spielerisch stolzierte er in strammer Soldatenmanier, warf die Füße bei jedem Schritt fast einen Meter hoch, bis der Spaß durch einen kantigen Stein, der seine Ferse stoppte, unterbrochen wurde.
    Dicki aber verstand gar nichts mehr. Mißtrauisch wanderte sein Blick zwischen Großvater und Mister Clifton hin und her, was ihm allerdings nichts nützte. Also brachte er sich bei den beiden mit der Frage in Erinnerung: „Wäre jemand von euch so nett, einem jungen unwissenden Menschen zu verklickern, wieso mein Großvater plötzlich ein Genie ist, weil er vor siebzehn Jahren einen Franzosen kannte, der dauernd übers Futtern redete?“
    Aber es kam nur der für Dicki völlig unbefriedigende Satz: „Später, Dicki. Später. Dein Großvater hat mir da echt ein entscheidendes Stichwort gegeben. Aber jetzt wollen wir erst einmal Doktor Stanley aufsuchen.“
    Großvater Miller hatte bereits den schweren bronzenen Türklopfer in Form eines Löwenkopfes in der Hand, so daß Dicki nur noch dazu kam, beleidigt zu brummen: „Na gut, wenn die Herren Erwachsenen sich gegen einen kleinen Jungen verschworen haben...“
    In dem Moment öffnete ein gutaussehendes brünettes Mädchen die Tür und sagte nach einem kurzen Augenblick der Überraschung freundlich: „Oh, hallo, Mister Miller. Wen haben Sie denn da mitgebracht?“
    „Das da ist mein Enkel, Dicki Miller aus London. Er verbringt seine Ferien bei mir in Wilkesham.“ Dicki reichte dem Mädchen die Hand und machte einen artigen Diener. „Und dieser Herr neben mir, Miß Nancy...“ stellte William Miller weiter vor, „ist Mister Clifton, ein lieber Besuch aus...“
    Er kam nicht dazu, den Satz zu vollenden, weil ihn der Detektiv unterbrach. „Oh, das wird die Lady sicher nicht weiter interessieren...“
    Großvater Miller blinzelte verwirrt. „Wie? Ja... natürlich... äh... Es ist ein bißchen spät geworden, Miß Nancy. Könnten wir trotzdem noch auf einen kleinen Sprung hereinkommen und mit Ihrem Vater sprechen?“
    „Aber natürlich.“ Nancy Stanley trat von der Tür zur Seite und machte eine einladende Handbewegung. Sie führte die drei in ein prachtvolles Zimmer, in dessen Mitte ein langer schwerer Eichentisch mit kunstvoll geschnitzten Beinen stand. Eine reichdekorierte Tafel... Wertvolle chinesische Bodenvasen in Dunkelgrün mit vergoldeten Blumen und Drachendekor schmückten die Wände zwischen den großen Flügelfenstern. Sechs Stühle standen am Tisch, und die Kopfseite des Tisches wurde von einem reichgeschnitzten Stuhl mit hoher Rückenlehne zum Herrschaftssitz erkoren.
    Rechts stand auf einem flachen chinesischen Tisch eine ziselierte silberne Obstschale. All diese Dinge bekamen noch einen Glanzpunkt durch den darunterliegenden großen seidenen, pastellfarbenen Ghom. In der linken Ecke dahinter stand eine phantastische alte Ritterrüstung aus echtem Kupfer. Das

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