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Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Landesherren von ihnen forderten. Ja, sie konnten sich oft nicht einmal einen Arzt leisten, wenn jemand in der Familie krank wurde. Und wenn sie beim Schmuggeln erwischt wurden, drohte ihnen der Galgen. Es war ein Leben in ständiger Angst, Dicki.“
    Dicki überlegte einen Augenblick. „Na, Sie haben wohl recht, Mister Clifton. Von der Seite habe ich die Sache noch nicht betrachtet. Aber neugierig wäre ich doch, ob hier vielleicht noch irgendwo verborgene Höhlen sind, in denen die Männer damals ihre Waren lagerten. Vielleicht liegt sogar irgendwo noch ein verborgener Piratenschatz.“
    Perry Clifton ging nicht weiter auf Dickis Jungenträume ein. „Und noch etwas, Dicki, heute liegen auch deshalb so wenige Kutter im Hafen, weil gerade die kleinen Häfen, die sonst ein ganzes Dorf am Leben erhielten, am meisten unter den heutigen Bedingungen leiden. Die Fangtage sind begrenzt und volle Netze selten geworden. Der wichtigste Fisch, der Hering, ist ausgefallen, da mehrere Fischgründe von der Fischerei ausgeschlossen wurden, um die Bestände vor der Ausrottung zu bewahren.
    Auf der anderen Seite gehen Fischgründe verloren, weil der Fortschritt auch vor schottischen Küsten nicht haltmacht. Bohrungen nach Erdöl und Gas greifen ein.
    Und die modernen Schiffe für die Fischerei weit draußen, wenn es gesetzlich möglich ist, sind sehr teuer. Es ist nicht nur alles Abenteuer.” Er deutete geradeaus und fragte: „Was sind das dort für Boote, Dicki?”
    Dickis Blick folgte Perrys ausgestrecktem Arm und fiel auf zwei Schiffe, die nebeneinander vertäut waren.

    „Das gelbe gehört einem Mister Doggman. Der fährt mit Anglern hinaus. Meist am Wochenende. Er hat richtige Stammkunden. Das andere, die Morgensonne , macht Tagesausflüge mit Touristen. Ach, jetzt verstehe ich das alles auch besser, Mister Clifton, diese Ausflugsfahrten haben sich die Leute einfallen lassen, um damit mehr Geld zu verdienen. Ahaaa.“ Ganz nachdenklich wischte er sich seine tropfende Nase am dicken Ärmel seines Pullovers ab.
    Auch die Morgensonne zeigte offen ihre Schadstellen. Angefaulte Balken, brüchiger Lack am Mast und abgeblätterte Farbe wiesen das Schiff nicht als das neueste aus. Auf Deck war über mehrere Reihen von Sitzbänken eine Art Baldachin als Dach gespannt, der etliche Löcher aufwies. Perry wunderte sich eigentlich nicht über den schlechten Zustand des Ausflugsbootes und sagte das auch: „Bis jetzt bin ich noch niemandem begegnet, der nach Tourist aussah.“
    „Die kommen mit dem Omnibus“, erklärte Dicki, der aber schon mit anderen Gedanken beschäftigt war. „Glauben Sie, daß die Geschichte mit den Lichtzeichen auf dem Meer was zu bedeuten hat, Mister Clifton?“
    „Ich glaube schon, Dicki. Du hast doch gehört, was dein Großvater über sein Erlebnis heute nacht erzählt hat. In der Regel sind Leute, die der Polizei aus dem Wege gehen, nicht gerade harmlos.“
    „Mmh“, machte Dicki. In Dickis Gesicht begann es zu arbeiten, so daß Perry gleich erkannte, daß sein Freund schwerwiegende Gedanken hinter der Stirn wälzte, die er vergeblich in Falten zu legen versuchte, wie er es seinem Großvater abgeguckt hatte.
    „Na, dich beschäftigt doch etwas, Dicki. Willst du mir nicht erzählen, was es ist?“
    Dicki Miller war sich seiner Sache nicht ganz sicher. „Sie dürfen mich nicht auslachen, Mister Clifton.“
    „Aber Dicki. Habe ich jemals darüber gelacht, wenn du eine Idee hattest. Meistens haben mir deine Kombinationen doch unschätzbare Dienste geleistet.“
    Das ging Dicki natürlich runter wie Ol. Er machte einen Luftsprung und steckte sich überhastig ein Bonbon in den Mund. „Also gut. Es ist eigentlich nur eine Kleinigkeit. Aber Sie sagen ja immer, das Wichtigste bei großen Fällen seien die Kleinigkeiten. Und wer nicht auf Kleinigkeiten achtet, beendet das Puzzle nie, das auch des kleinsten Steines bedarf.“
    Perry stimmte dem zu. „Der Meinung bin ich nach wie vor.“
    „Ich muß immer wieder an so eine Kleinigkeit denken, obgleich sie mit der Schmuggelei gar nichts zu tun hat.“
    „Nun zier dich doch nicht so, Dicki. Das ist doch sonst gar nicht deine Art. Welche Kleinigkeit meinst du denn?“
    Dicki verpackte sein Bonbon links zwischen Backenzähnen und Wange, damit er besser sprechen konnte. „Gleich hinter Wilkesham, auf der Straße nach Badcall, hat ein Maler aus Frankreich seinen Wohnwagen aufgestellt. Ja, und da sitzt er und malt.“
    „Und was ist daran so ungewöhnlich?“

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