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Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Pakistani, die er um 23 Uhr 49 mit dem Pferdetransporter am Bootshaus zur Fahrt nach Glasgow abholte, von wo sich die Asiaten per Eisenbahn und mit falschen Papieren, die sie nun als britische Staatsbürger auswiesen, in alle möglichen Richtungen zerstreuen würden, was ihre Spuren verwischen sollte, brachte Bewegung in diese Nacht des 31. Juli. Dieser Mann, ein etwa 40jähriger Pakistani, wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, in den Transporter zu steigen, und begleitete seine strikte Weigerung mit einem Gezeter, das wiederum wegen seiner nicht unbeträchtlichen Lautstärke Ritchie Carryl den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Dabei hatte er nicht die geringste Ahnung, wodurch diese Aufregung verursacht wurde, ein Umstand, der seine Nervosität mit jeder Sekunde steigerte. Im Geiste sah er bereits halb Wilkesham, durch das Geschrei geweckt, auf dem Weg zum Bootshaus, was realistisch gesehen nicht möglich war, weil Wilkesham zu weit entfernt und seinen Bewohnern durch ein reines Gewissen ein tiefer Schlaf vergönnt war.
    Ritchie Carryl, leider nicht mit derartigem Seelenfrieden gesegnet, fragte verzweifelt in die Runde der restlichen Asiaten, die dem Spektakel mit stoischer Ruhe begegneten: „Herrgott noch mal! Spricht denn hier niemand ein Wort Englisch, der mir sagen kann, was diesen Mann in solch eine Panik versetzt?“
    Zu seiner Überraschung löste sich einer der Männer von den anderen und sagte in ruhigem Ton und fließendem Englisch: „Er hat seinen Talisman verloren. Das bringt großes Unglück. Er will, daß Sie seinen Talisman wiederbringen. Sonst wird er nicht mit uns fahren.“
    Ritchie Carryl war kurz vorm Überschnappen und stotterte entgeistert: „Sie... Sie... Sie wollen mir ernsthaft weismachen, dieser, dieser kreischende Mensch hier veranstaltet den ganzen Zirkus wegen irgendeines...“, er rang nach Luft, „wegen irgendeines Hokuspokus... Ja will er uns die gesamte Polizei Schottlands auf den Hals hetzen?“
    „Ich habe gesagt, was zu sagen ist“, erwiderte der Pakistani mit stolzer Würde.
    Ritchie war am Ende seiner Kraft. „Sehen Sie hier“, sagte er eindringlich und wedelte mit den Papieren vor den Augen der Asiaten, „das sind Ihre Pässe. Wenn dieser Mann nicht mitfährt, fahren Sie alle nicht. Versprechen Sie ihm meinetwegen, daß wir nach seinem Talisman suchen und ihn auch finden werden, falls er nicht auf dem Meeresgrund liegt. Aber er steigt jetzt ein, oder keiner steigt ein. Das ist mein letztes Wort.“
    Kaum hatte der englischsprechende Pakistani Ritchies Worte übersetzt, machte sich erregtes Stimmengewirr breit, wobei alle auf den Mann, der seinen Talisman vermißte, einstürmten. Selbst Ritchie Carryl konnte an den Mienen erkennen, daß es nicht nur freundliche Worte waren. Trotzdem dauerte es noch einmal knapp fünf Minuten, bis der Unglückliche widerstrebend in den Transporter stieg.
    Endlich am Steuer des Transporters, atmete Ritchie Carryl mehrmals tief durch, bevor er den Anlasser betätigte. „Noch so ein Tag wie heute, und ich bin reif für die Klapsmühle.“
    Wenn Ritchie Carryl gewußt hätte, wie dick es noch für ihn kommen sollte, wäre er wohl in Glasgow in den Zug gestiegen, der die am weitesten entfernte Endstation anfuhr.

    1. August (ein Freitag).
    Es begann damit, daß es kurz nach acht Uhr wie wild vor Mister Millers Haus in Wilkesham hupte. Julie Young war mit ihrem Mini-Cooper die Nacht durchgefahren, nachdem Miß Penelope Ladbrok für diesen Morgen ihr Wiedererscheinen bei Hollburn & Sohn in London angekündigt hatte. Jene Penelope Ladbrok, die von Dicki als uralte Lady bezeichnet wurde, wobei er sich, wie so oft, auf eine von Großvaters Lebensweisheiten berief. Mister Miller pflegte nämlich zu sagen, wer Falten hat, ist alt, wer Runzeln hat, ist uralt. Und Penelope Ladbrok hatte nun einmal Runzeln, jedenfalls sah Dicki das so.
    Weder Dicki noch Perry Clifton waren allerdings zu Hause, als Julie in Wilkesham eintraf. So hatte die junge Dame, nachdem sie dies von William Miller nach einer sehr herzlichen Begrüßung erfuhr, nur einen Wunsch: schlafen, nichts als schlafen. Julie Young war so todmüde, daß sie sich der Einfachheit halber gleich auf die Couch im Wohnzimmer fallen ließ, nur noch die Schuhe abstreifte und sofort einnickte. Mister Miller legte ihr fürsorglich eine Decke über.
    Stunden später erwachte Julie von einer Stimme, die ihr bekannt vorkam, und schlug die Augen auf. Vor ihr stand Perry Clifton und sah mit einem

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