Die Hand
Geschichte um die HAND.
Ein Besuch zuviel für den schönen Clive
Sonnabend, 2. August.
Um 17 Uhr 45 verließ Jerry Hoskins das Haus der Hoffnung und begab sich zu der 600 Meter entfernten Bushaltestelle. Um 17 Uhr 58 bestieg er den Bus der Linie 26 nach London, wo er auf dem hintersten Sitz Platz nahm. Hätte er sich nur ein einziges Mal umgedreht, wäre ihm sicherlich der beigefarbene Austin, der dem Bus in einigem Abstand folgte, aufgefallen. Aber selbst dann wäre Jerry Hoskins wahrscheinlich nicht stutzig geworden. Er fühlte sich sehr sicher.
Um 18 Uhr 43 verließ Jerry Hoskins den Bus in Kensington und betrat 150 Meter weiter das Restaurant Old Commercial. Der Austin parkte schräg gegenüber dem Lokal. Ohne besondere Eile stieg der Fahrer aus, schloß den Wagen ab und überquerte die Straße, als ihn auf der anderen Seite plötzlich eine Stimme ansprach: „Was machen Sie denn hier, Bellwood? Sie sollten doch diesem Hoskins an den Fersen bleiben, sobald er das Heim verläßt.“
„Oh, Inspektor Skiffer“, sagte der Fahrer des Austin, Kriminalsergeant Paul Bellwood, nachdem er seine Überraschung überwunden hatte. „Genau das mach’ ich ja gerade. Mein Schützling ist mit dem Bus bis hierher gefahren und gönnt sich jetzt anscheinend ein Abendessen. Er ist nämlich hier in dieses Restaurant gegangen.“
„Das ist ja ein Ding.“ Jetzt war es an Scott Skiffer, erstaunt zu sein. „Passen Sie auf, Bellwood. Nach Lage der Dinge hat Jerry Hoskins alles andere vor, nur nicht, hier gemütlich zu Abend zu essen. Es würde mich nicht wundern, wenn er bald mit einem Paket unter dem Arm wieder herauskäme. In diesem Fall unternehmen Sie nichts, Bellwood, folgen Sie Hoskins nur weiter. Um das Weitere wird sich dann Sergeant Robson kümmern.“
„Ist klar, Inspektor.“ Bellwood nickte. „Und was haben Sie vor, Inspektor? Oder sind Sie zufällig hier?“ Scott Skiffer grinste breit: „Ich, Sergeant? Ich werde jetzt tatsächlich in Ruhe ein Steak verzehren. Ein recht interessantes Lokal, dieses Old Commercial , mit noch interessanteren Tätigkeiten, womit mein Freund Clive sich anscheinend nebenbei beschäftigt.“ Damit ließ er den verdutzten Sergeant Bellwood stehen und verschwand im Restaurant.
„Der ist wohl auch überarbeitet“, murmelte Bellwood und setzte sich wieder in seinen Wagen. Erst jetzt merkte er, daß sein Magen knurrte. Er hatte versäumt, sich für seinen Beobachtungsposten beim Haus der Hoffnung etwas einzupacken. Voller Neid dachte er an den Inspektor, der jetzt vermutlich auf ein saftiges Steak wartete. Der Sergeant seufzte.
Inspektor Skiffer allerdings hatte nicht die Absicht, tatsächlich etwas zu essen. Er nahm an einem Tisch für zwei Personen, rechts hinten an der Wand, Platz. Von hier aus konnte er bequem die Tür mit der Aufschrift „Büro“ im Auge behalten.
Zuerst aber interessierte sich Skiffer für eines der Gemälde an der Wand. Unten links in der Ecke fand er, was er suchte. „Reginald Stewart“, der Schriftzug ließ sich eindeutig entschlüsseln. „Perry, du alter Fuchs, hast also wieder mal recht behalten“, lobte der Inspektor innerlich seinen Freund. Auch Scott Skiffer zweifelte keinen Augenblick mehr daran, daß die Bilder im Old Commercial von demselben Maler stammten wie jenes, das ihm Clifton aus Wilkesham geschickt hatte. Die „blaue Phase“, wie Dicki es genannt hatte, hatte unverkennbar denselben schauderhaften Pinselstrich.
Der Inspektor winkte einen der Kellner heran und bestellte sich ein Bier. Von Clive war nichts zu sehen.
Dafür trat in diesem Moment Jerry Hoskins aus dem Büro. Wie Skiffer vermutet hatte, trug er unter dem Arm ein Paket. Ohne sich umzusehen, verließ Hoskins auf geradem Weg das Lokal. Draußen ließ Sergeant Bellwood den Motor seines Austin an. Jerry Hoskins tat keinen Schritt mehr unbeobachtet.
Im Restaurant trank Inspektor Skiffer in einem Zug sein Bierglas leer und dachte: „Na, Clive, das wär’s denn wohl.“ Dann stand er auf und betrat das Büro, ohne anzuklopfen.
Der schöne Clive wechselte bei dem überraschenden Auftritt Skiffers die Farbe und kam ins Stottern: „In... In... spektor. Dddas ist aber eine Überraschung.“ Clive hatte sichtlich Mühe, seine Fassung wiederzuerlangen.
Scott Skiffer genoß den Augenblick, vor allem wenn er daran dachte, welchen Scherz sich Clive bei seinem ersten Besuch mit ihm erlaubt hatte. „Jetzt ist der Spaß auf meiner Seite, mein Lieber“, dachte Skiffer grimmig und
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