Die Hassliste: Roman (German Edition)
eingefallen, dass nichtich allein schuld war an Moms Misere. Dass sie all ihre Träume begraben musste, lag schließlich auch an ihm.
»Ich fass es nicht, dass deine Mutter dich auf Partys gehen lässt«, murmelte er kaum hörbar vor sich hin.
»Vielleicht versucht sie, mir zu vertrauen«, sagte ich.
»Das ist ein Fehler«, antwortete er mit einem kurzen Seitenblick auf mich, während er zur Autobahn abbog.
Schweigend fuhren wir weiter, wobei Dad alle paar Sekunden angewidert den Kopf schüttelte. Ich heftete den Blick auf ihn und fragte mich, wie wir an diesen Punkt gekommen waren. Wie es möglich war, dass der gleiche Mann, der seine Tochter als Baby im Arm gehalten und ihr winziges Gesicht geküsst hatte, nun entschieden hatte, sie ein für alle Mal auszusperren aus seinem Leben und seinem Herzen. Wie er sogar dann, wenn sie sich in einer Notlage an ihn wandte –
bitte, Dad, hol mich, komm und rette mich
–, nichts anderes tun konnte, als ihr Vorwürfe zu machen. Wie diese Tochter ihn anschauen und dabei nichts als Verachtung, Schuldzuweisungen, Abwehr und Wut spüren konnte, weil das alles war, was er viele Jahre lang ausgestrahlt hatte, bis es am Ende ansteckend geworden war.
Es mochte am Alkohol liegen oder daran, dass mich Troys Drohung innerlich wund gemacht hatte, vielleicht war es auch beides zusammen. Jedenfalls konnte ich die unbändige Wut, die mich jetzt packte, nicht einfach wegschieben. Er war mein Vater. Es war seine Aufgabe, mich zu beschützen. Zumindest hätte er besorgt sein müssen, wenn ich ihn mitten in der Nacht von einer Tankstelle am Ende der Welt aus anrief und ihn bat, mich abzuholen.
»Warum?«, brach es aus mir heraus.
Er warf mir wieder einen Blick zu. »Warum was?«
»Warum ist es ein Fehler, mir zu vertrauen? Warum bist du bloß so versessen drauf, dass immer ich die Böse bin?« Ich stierte ihn von der Seite an, versuchte, ihn dazu zu zwingen, mir in die Augen zu sehen. Aber das tat er nicht. »In letzter Zeit läuft alles gut mit mir, aber anscheinend ist dir das total egal.«
»Trotzdem hast du heute Abend Mist gebaut«, sagte er.
»Du hast überhaupt keine Ahnung, was passiert ist«, sagte ich und meine Stimme stieg in die Höhe. »Ich war dabei, also muss ich auf irgendeine Weise auch schuld sein – so einfach ist das für dich. Du könntest zumindest so tun, als würde dir was an mir liegen, weißt du. Du könntest immerhin versuchen, irgendwas zu verstehen.«
Dad stieß ein sarkastisches kleines Lachen aus. »Ich kann dir schon sagen, was ich verstehe«, meinte er mit einer Schärfe wie vor Gericht. »Ich verstehe, dass es jedes Mal in einer Katastrophe endet, wenn du dir selbst überlassen bist,
das
verstehe ich. Ich verstehe, dass ich mir mit Briley einen schönen, geruhsamen Abend machen wollte und dass du ihn wieder mal gründlich verhagelt hast.«
Ich lehnte mich im Sitz zurück und lachte schnaubend. »Tut mir leid, dass ich dein perfektes kleines Leben mit der perfekten kleinen Briley störe«, sagte ich. »Tut mir leid, dass dir deine echte Familie so viel Mühe macht. Aber falls du –«
Doch er unterbrach mich mit dröhnender Stimme, die im Innenraum des Autos noch viel lauter klang. »Ich verstehe, dass deine Mutter dich einfach so machen lässt, was du willst. Wenn ich da gewesen wäre, wärst du heute jedenfalls nicht auf diese gottverdammte Party gegangen.«
Meine Augen wurden groß. »Aber du warst nicht da, Dad. Das ist ja genau der Punkt. Du bist nie da. Sogar wenn du zu Hause bist, bist du nicht da. Briley ist nicht deine Familie. Ich bin Familie.
Ich
. Briley ist bloß … irgendeine blöde Affäre.«
Dad riss das Steuer herum und der Lexus schlitterte auf den Standstreifen. Der Wagen hinter uns ging quietschend in die Bremsen, der Fahrer hupte. Dann steuerte er langsam um uns herum, mit wütendem Blick auf Dad. Aber Dad merkte das gar nicht. Er knallte den Schalthebel auf Parken und stieg aus. In wenigen großen Schritten war er auf meiner Seite, riss die Tür auf, packte meine Schulter mit unglaublicher Kraft und zerrte mich nach draußen. Ich schrie auf und stolperte über die Steinchen am Fahrbahnrand.
Er zog mich ganz eng an sein Gesicht heran und hielt meine Schulter weiter fest umklammert.
»Jetzt hör mir mal zu, kleines Fräulein«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Es ist höchste Zeit, dass
du
was verstehst. Du hast ein verdammt gutes Leben gehabt, du verwöhnte Rotzgöre, und ich hab es satt –«, er
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