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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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gezeigt hatte, den sie mit der Zunge so weit vorschieben konnte, dass er herausstand wie ein Kaugummiklumpen, und wie beim Turnen auf dem Klettergerüst am Spielplatz alle meinen nackten Bauch sehen konnten. Als wäre alles nur ein Traum. Und das hier – diese Hölle – meine Wirklichkeit.
    »Hey«, sagte ich leise.
    Sie stand am Bettende, genauso verlegen wie Frankie an dem Tag, als ich aufwachte.
    »Tut’s weh?«, fragte sie.
    Ich zuckte mit den Achseln. Genau diese Frage hatte sie mir in dieser anderen Welt schon Millionen Mal gestellt, bei unzähligen kleinen Schrammen, Kratzern und Beulen. In dieser Traumwelt, in der wir ganz normal waren, in der es kleinen Mädchen ganz egal war, dass jeder auf dem Spielplatz ihren nackten Bauch sehen konnte, und in der lose Zähne aussahen wie Kaugummi. »Ein bisschen«, log ich. »Nicht so schlimm.«
    »Ich hab gehört, du hättest da ein richtig tiefes Loch oder so«, sagte sie. »Allerdings hab ich das von Frankie, keine Ahnung, ob man dem glauben kann.«
    »Ist nicht so schlimm«, wiederholte ich. »Meistens ist die ganze Gegend ziemlich taub. Du weißt schon, die Schmerzmittel.«
    Sie begann, mit dem Daumennagel an einem Aufkleber am Bettende herumzuschaben. Ich kannte Stacey gut genug, um zu wissen, was das bedeutete – sie fühlte sich unwohl, war sauer oder irgendwie gefrustet. Vielleicht auch beides. Sie seufzte.
    »Es heißt, wir könnten nächste Woche wieder in die Schule gehen«, sagte sie. »Na ja, manche von uns zumindest. Viele haben Angst, glaub ich. Und dann gibt’s noch die, die erst wieder gesund werden müssen   …« Ihre Stimme blieb nach dem letzten Satz unsicher in der Luft hängen und sie wurde rot, als würde sie sich schämen, das mir gegenüber erwähnt zu haben. Mich überkam noch ein Traumbild: wir zwei, wie wir schwitzend unter einem Betttuch sitzen, das wir hinten in Staceys Garten über einen Campingtisch ausgebreitet haben, und unseren Babypuppen Essen in den Mund schaufeln, das nur in unserer Fantasie existiert. Mann, das war mir alles total real vorgekommen. »Tja, ich geh jedenfalls wieder hin. Duce auch. Ich glaube, David und Mason wollen auch kommen. Meine Mutter ist ja nicht so dafür, aber ich will’s irgendwie, weißt du? Kommt mir vor, als bräuchte ich’s. Keine Ahnung.«
    Sie wandte ihr Gesicht dem Fernsehbildschirm zu. Ich sah ihr an, dass sie in Gedanken ganz und gar nicht bei den Windbeuteln war, die gerade von irgendeinem Fernsehkoch aus dem Ofen geholt wurden.
    Schließlich blickte sie mich an, mit feuchten Augen.
    »Redest du mit mir, Valerie?«, fragte sie. »Sagst du bald mal irgendwas?«
    Ich machte den Mund auf. Doch es war, als wäre er mit Nichts gefüllt, vielleicht mit Wolken oder so. Das fand ich ziemlich passend für jemanden, der aus einer Traumwelt in eine erschreckende Realität zurückkommt, in der man das Grauen fast schmecken und greifen kann.
    »Ist Christy Bruter tot?«, brach es schließlich aus mir heraus.
    Einen Moment betrachtete mich Stacey, wobei sie ein wenig mit den Augen zu rollen schien.
    »Nein, ist sie nicht. Sie liegt ein paar Türen weiter. Ich war gerade bei ihr.« Als ich nicht reagierte, warf sie ihr Haar in den Nacken und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Enttäuscht?«
    Und das war es. Dieses eine Wort. Es verriet mir, dass Stacey, sogar meine älteste Freundin Stacey, die dabei gewesen war, als ich zum ersten Mal meine Tage bekam, die meinen Badeanzug getragen hatte und mein Make-up, dass auch sie mich für schuldig hielt. Selbst wenn sie es nicht laut aussprach und auch nicht glaubte, dass ich selbst abgedrückt hatte – tief drinnen machte sie mich doch verantwortlich.
    »Nein, natürlich nicht. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich denken soll, egal über was«, antwortete ich. Nie in den letzten Tagen war ich ehrlicher gewesen.
    »Nur damit du Bescheid weißt«, sagte sie. »Ich hab’s nicht fassen können, was da passiert ist. Wollte es erst gar nicht glauben. Als das Gerede losging, wer da geschossen haben soll, hab ich’s den Leuten einfach nicht geglaubt. Du und Nick   … schließlich warst du meine beste Freundin. Und Nick fand ich immer so cool. Bisschen wie Edward mit den Scherenhänden, aber auf eine coole Art. Ich hätte nie gedacht   … ich konnte es einfach nicht fassen. Nick. Mein Gott.«
    Sie begann sich kopfschüttelnd Richtung Tür zu bewegen. Ich hockte in meinem Rollstuhl und fühlte mich total taub. Ich begriff einfach nicht, was sie da

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