Die Hassliste: Roman (German Edition)
nur Leute, die du gehasst hast? Wünschst du dir, du hättest es nicht getan?Was sagen deine Eltern dazu? Meine würden komplett durchdrehen. Sind deine durchgedreht? Hassen sie dich jetzt?«
Es machte mich verrückt, aber ich gab mir alle Mühe, es nicht wirklich an mich heranzulassen. Meistens ignorierte ich Brandee und ihre Fragen einfach. Zuckte unverbindlich mit den Schultern oder tat so, als hätte ich sie nicht gehört. Aber manchmal antwortete ich ihr doch, weil ich glaubte, dann würde sie endlich die Klappe halten. Aber das stimmte nicht. Jede Antwort löste eine neue Welle von Fragen aus und am Ende bereute ich, dass ich den Mund aufgemacht hatte.
Das einzig Gute an diesen Tagen im Psychotrakt war, dass Detective Panzella nicht mehr kam, um mich in die Mangel zu nehmen. Keine Ahnung, ob Dr. Dentley das nicht zuließ, ob Panzella inzwischen der Meinung war, dass ich die Wahrheit sagte, oder ob er gerade Belastungsmaterial gegen mich zusammentrug. Jedenfalls war es gut, dass er nicht da war.
Ich bewegte mich ganz genau so durch den Tag, wie ich sollte. Zog wie ein braves Mädchen den Schlafanzug aus und die vom Krankenhaus gestellten Klamotten an. Saß im Gemeinschaftsraum auf dem Sofa und schaute mir die offiziell zugelassenen Fernsehsendungen an, blickte aus dem Fenster auf die Schnellstraße unten und tat, als würde ich die getrockneten Popel nicht sehen, die neben mir an der Wand klebten. Tat, als würde mir nicht das Herz brechen. Tat, als wäre ich nicht wütend, verwirrt und in Panik.
Am liebsten wäre es mir gewesen, ich hätte die Zeit dort mehr oder weniger verschlafen können. Ich sehntemich danach, Schmerzmittel zu nehmen, mich im Bett zusammenzukrümmen und nicht mehr aufzuwachen, bis ich endlich zu Hause war. Aber ich wusste, dass das als ein Zeichen von Depression angesehen würde und am Ende nur dazu geführt hätte, dass ich noch länger hierbleiben müsste. Ich musste so tun, als ob. Als ob es mir besser ginge. Als ob sich viel verändert hätte in Bezug auf »meine Selbstmordgedanken«.
»Mir ist jetzt sonnenklar, dass Nick schlecht für mich war«, verkündete ich. »Ich will einen neuen Anfang machen. Ich glaub, College ist gut. Ja, ich geh aufs College.«
Ich versteckte die Wut, die in mir hochbrandete. Wut auf meine Eltern, die nicht für mich da waren. Wut auf Nick, weil er tot war. Wut auf die Leute in meiner Schule, die ihn gequält hatten. Wut auf mich selbst, weil ich das alles nicht hatte kommen sehen. Ich lernte, meine Wut wegzuschieben, in der Hoffnung, dass sie sich totlaufen und von selbst verschwinden würde. Ich lernte, so zu tun, als ob sie schon weg wäre.
Ich sagte die Dinge, die mich hier rausbringen würden. Ich sprach die Worte aus, die sie hören wollten, ich schaffte es, mich zu diesen Gruppensitzungen zu schleppen, und ich erwiderte nichts, wenn andere Patienten mir Beleidigungen entgegenschleuderten. Ich absolvierte meine Mahlzeiten und die vorgesehenen Tests und spielte bei allem mit, so gut ich konnte. Ich wollte einfach nur raus.
Endlich, es war an einem Freitag, kam Dr. Dentley in mein Zimmer und setzte sich zu mir auf die Bettkante. Ich verkniff es mir, vor ihm zurückzuschrecken, sondern krümmte nur meine Zehen in den Socken, um trotzdem irgendwie Abstand zu ihm zu kriegen.
»Wir werden dich entlassen«, sagte er dermaßen sachlich, dass ich es beinahe überhört hätte.
»Wirklich?«
»Ja. Wir sind sehr zufrieden mit den Fortschritten, die du gemacht hast. Aber es wird noch lange dauern, bis du wirklich geheilt bist, Valerie. Du kommst ab jetzt in ambulante Intensivbetreuung.«
»Hier?«, fragte ich und versuchte, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen. Der Gedanke, womöglich jeden Tag hierher ins Krankenhaus zurückkommen zu müssen, und sei es nur stundenweise, jagte mir Angst ein – womöglich würden mich, wenn ich irgendwas Falsches sagte oder tat, gleich wieder die beiden großen Pfleger festhalten und mir eine Spritze irgendwo reinrammen.
»Nein. Du wirst zu …« Er verstummte und suchte in den Blättern auf seinem Klemmbrett herum. Dann nickte er billigend. »Ja, du kommst zu Rex Hieler.« Er blickte mich an. »Du wirst ihn mögen. Dr. Hieler ist perfekt für einen Fall wie dich.«
So verließ ich das Krankenhaus – zwar als ein »Fall«, aber immerhin war ich frei.
Eine Schwester schob mich im Rollstuhl runter zum Eingang der Klinik. Ich fühlte, wie mich jedes einzelne Augenpaar im ganzen Gebäude anglotzte, als
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