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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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schließlich nicht mit Jessica geredet. Ich aber schon. Jessica hat es ernst gemeint, als sie mich gefragt hat. Da ist nichts faul dran.«
    Dr.   Hieler nickte und rieb sich die Nase, sagte aber nichts.
    Mom schüttelte den Kopf, als wäre ich ein Vollidiot, wenn ich Jessica Campbell glaubte. Als wäre alles, was ich überhaupt glaubte, nur ein weiterer Beweis für meine Idiotie – bloß weil ich irgendwann einmal Nick geglaubthatte. Es war jetzt still im Raum und Mom stierte mich an.
    »Was?«, stieß ich schließlich hervor. Meine Stimme klang zu laut. »Warum guckst du mich so an? Sie tut mir nichts. Sie legt mich nicht rein, okay? Warum ist das so schwer zu begreifen? Hast du nicht ferngesehen? Du musst doch die Geschichten kennen, wie der Amoklauf alle in der Schule verändert hat. Die Leute sind nicht mehr so. Die tun mir nichts an.«
    »Ich sorge mich auch nicht darum, dass
sie dir
was antun könnten«, sagte Mom mit heiserer Stimme und sah mich aus roten Augen an. Dann wischte sie sich wieder die Nase mit dem Papiertaschentuch.
    Ich blickte von ihr zu Dr.   Hieler. Er saß immer noch bewegungslos da, den Zeigefinger an der Lippe, und sagte keinen Ton.
    »Was für Sorgen machst du dir denn sonst?«, fragte ich.
    »Dass du ihnen was antust?«, sagte Mom. »Willst du vielleicht nur mit ihnen zusammen sein, damit du beenden kannst, was Nick angefangen hat?«
    Ich ließ mich in einen Stuhl sinken. Ihr ganzes Herumheulen und Gebettel, all ihre Verbote und dass sie die Zeitungen vor mir versteckt und mich zu Dr.   Hieler geschleppt hatte   … dabei war es gar nicht darum gegangen, mich vor den andern zu beschützen. Sondern darum, die andern vor mir zu beschützen. Moms Problem war, dass ich ihnen etwas antun könnte. Ich war der Bösewicht für sie. Egal, was ich sagte, in den Augen meiner Mutter änderte das nichts.
    »Ich hab einfach nicht gut genug aufgepasst«, sagte sie, halb zu mir und halb in Dr.   Hielers Richtung. »Und dannist es passiert. Die Leute halten mich für eine miserable Mutter – und ich weiß nicht, vielleicht haben sie ja recht. Eine Mutter sollte solche Dinge wissen. Eine Mutter sollte nicht so überrascht sein, wie ich es war. Und wenn ich sie jetzt einfach so machen lasse   … habe ich Angst, dass am Ende noch mehr Tote mein Gewissen belasten.«
    Sie wischte sich die Nase, während Dr.   Hieler in seiner sanften, verständnisvollen Stimme mit ihr redete. Aber ich war zu benommen, um mitzukriegen, was er sagte.
    Ich hatte Mom verändert. Hatte ihr Selbstverständnis als Mutter verändert. Nie mehr würde das, was sie zu tun hatte, so einfach und klar umrissen sein wie am Tag meiner Geburt. Ihre Aufgabe war nicht mehr, mich vor dem Rest der Welt zu beschützen. Jetzt war ihre Aufgabe, den Rest der Welt vor mir zu beschützen.
    Und das war so unfair.

 
    [Aus der Garvin County Sun-Tribune, 3.   Mai 2008, von Angela Dash]
     
    Chris Summers, 16 – Nach Zeugenaussagen ist Summers als Held gestorben.
    »Er versuchte, uns alle irgendwie nach draußen zu bringen«, berichtet die 1 6-jährige Anna Ellerton. »Er hat Leuten geholfen, durch die Türen nach draußen in den Gang zu kommen. Das ist typisch Chris – immer dabei, irgendwas zu organisieren.«
    Nach Auskunft von Anna Ellerton wurde Summers von Schülern, die in Panik aus der Cafeteria flüchteten, weggestoßen, wodurch er Levil direkt vor die Füße stolperte.
    »Nick hat gelacht und ihn gefragt, wer denn jetzt der große Macker wäre, und dann hat er auf ihn geschossen«, schildert Ellerton. »Ich dachte mir, dass er tot ist, darum bin ich weitergerannt. Keine Ahnung, ob er auf der Stelle gestorben ist oder nicht. Ich weiß nur, dass er versucht hat zu helfen. Er hat nur versucht zu helfen.«
***
     
    Beinahe wäre ich wieder gegangen. Ich blickte durch das kleine Fenster in der Tür des Klassenzimmers und sah einen Haufen Schüler auf Stühlen herumlümmeln, die lose im Kreis aufgestellt waren – und mittendrin saß Jessica Campbell, die mit ernster Miene auf die anderen einredete. Mrs Stone, die Betreuungslehrerin für den Schülerrat, saß etwas abseits an einem Tisch. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und einer ihrer Schuhe baumelte an ihren Zehen. Das erinnerte mich an ein Bild, das ich nach dem Amoklauf in der Zeitung gesehen hatte: ein einzelner hochhackiger Schuh, der herrenlos auf dem Gehweg vor der Schule herumlag – seine Besitzerin war zu verängstigt oder zu schwer verletzt oder zu tot, um

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